In der Bucht von Pièbo ganz im Westen der Insel warten jeden Abend Verliebte voller Ungeduld auf jenen Moment, da die Sonne am Horizont im Meer versinkt und für einen kurzen Moment ein äusserst intensives Licht ausstrahlt. Dieses spezielle Licht, so heisst es, soll alle Liebeswünsche wahr werden lassen.
In dem Licht wird auch die kleinen Insel Galak (Lil) sichtbar, die man tagsüber von blossem Auge kaum erkennt. Seltsamerweise aber tauchen an gewissen Tagen zu Seiten von Galak weitere Inseln aus dem Meer auf – so scheint es auf jeden Fall. Laut dem Gid vè («Santa Lemusa», S. 43) soll es sich dabei um eine Art Spiegelungsphänomen handeln.
Einer alten Legende zufolge soll sich der Pirat Soreni Artel, vor dem sich im frühen 17. Jahrhundert die halbe Welt zu fürchten hatte, hier in die Spur nackter Füsse verliebt haben, die er im Sand der Bucht entdeckte. Er wartete auf die dazugehörige junge Frau, die jeden Morgen zur selben Zeit den Strand überquerte, und entführte sie auf sein Schiff. Dort sperrte er sie in seiner Kabine ein, um wieder und wieder ihre Füsse zu küssen. Eines Tages schlug ihm die junge Frau dabei ein schweres Navigationsgerät über den Schädel und fesselte den Bewusstlosen. Sie trat an Deck und übernahm, wie auch immer das möglich war, die Führung von Schiff und Mannschaft. Soreni Artel wurde an irgendeinem Strand ausgesetzt und die junge Frau soll als «Schönfuss» jahrelang die Meere unsicher gemacht haben. Diese Geschichte, die auf Santa Lemusa noch heute gerne erzählt und dabei oft mit den farbigsten Details ausgeschmückt wird, ist auch im Namen der Bucht lebendig, heisst Pièbo doch soviel wie «Schönfuss». Und am nördlichen Ende der Anse steht auf einem Abhang ein alter Leuchttürm, der nach dem Piraten Tour Artel genannt wird.
First Publication: 4-2007
Modifications: 13-3-2009, 30-9-2011, 2-7-2013