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Hühnermägen werden in der Regel küchenfertig verkauft. Zwei aufgeschnittene und gereinigte Mägen: Auf der Innenseite (links) sitzt eine rosige Haut, an der Aussenseite haften sehnige Stränge. (Zürich, Februar 2012)

Magen vom Huhn

Und das weiss das Lexikon

Der Magen des Huhns hat keine Geschichte. Die Welt kommt so gut wie gar nie auf ihn zu sprechen. Zu den raren Ausnahmen gehört das 1557 erstmals erschienene «Kräuterbuch» von Adam Lonitzer, wo er auf S. 642 ein: «Hühner-Magen-Wasser» gegen gerötete Augen empfiehlt: «Das innerliche gelbe Fellein von dem Hühner-Magen gestreifft, und durch ein Alembic in Balneo Mariae destilliert. Gibt ein gut Wasser wider rothe letze Augen. Abends und Morgens das letze Aug damit bestrichen, so lang biss es geneisst.». Und 150 Jahre später erbarmt sich auch Andreas Glorez in seinem «Eröffneten Wunderbuch» (1700) des kleinen Organs, wobei er es nur mit Vorbehalten empfiehlt: «Wenn Hühnermägen vor der Mahlzeit gegessen werden, ob sie gleich übel zu verdauen, stärken sie doch den Magen.»

Hühner ernähren sich von Kräutern, Körnern, Würmern, Schnecken und Insekten, ja sie fressen sogar kleine Säugetiere wie Mäuse. Sie verfügen über einen Muskel- oder Kaumagen (Ventriculus muscularis), ein mit dicken Muskeln ausgestattetes Organ im Verdauungstrakt. In diesem Magen zerkleinern sie harte Nahrung mit Hilfe von Magensteinen, sogenannten Gastrolithen. Diese Form der Verarbeitung wird oft mit der bei anderen Lebewesen durch Kauen im Mundraum vorgenommenen Zerkleinerung verglichen – die Steine wären also eine Art Alternative zu den Zähnen. Ein Hühnermagen ist etwa 6 cm lang und wiegt ungereinigt rund 50 bis 70 g, gereinigt etwa ein Drittel weniger.

Charakter und Verwendung

 In der Schweiz werden Hühnermägen, wenn überhaupt, dann meist in küchenfertigem Zustand verkauft (frisch zum Beispiel in sehr grossen «Coop»-Filialen, gefroren bei «Migros») – allenfalls sitzt auf dem einen oder anderen Stück noch etwas goldene Magenschleimhaut, die entfernt werden sollte. Als Verdauungsorgan ist der Magen des Huhns innen mit einer Schleimhaut überzogen, die das Bindegewebe vor der Magensäure schützt.

Ungeputzte Mägen sind relativ leicht zu reinigen – auf jeden Fall gemessen an Herausforderungen, wie sie etwa Kutteln vom Lamm darstellen. Man kann dabei ganz intuitiv vorgehen – wir geben hier trotzdem eine kurze Beschreibung wieder. Wir klauben zunächst die etwas fettigen Beläge von der Oberfläche des Magens. Nun schneiden wir das Organ von der Seite her bis zur Hälfte ein und drücken es auseinander. Man sollte hierfür nicht sein edelstes Messer verwenden, denn im Innern des Magens hat es zahlreiche kleine Steinchen (Gastrolithen), welche die Klinge beschädigen können. Das Innere des Magens ist mit einer gelblichen, grösstenteils strohartigen Masse gefüllt, die wir herausklauben und entsorgen. Wir tun das nicht über dem Schüttstein weil die Steinchen möglicherweise unseren Abfluss verstopfen könnten. Nun lösen wir die dunkelgelbe Magenschleimhaut von dem Muskelgewebe, was in der Regel sehr leicht geht. Mit etwas Übung kann man auch leicht den Mageninhalt und die Schleimhaut auf ein Mal entfernen. Wir geben die Mägen in eine Schüssel mit heissem Wasser und entfernen mit den Fingern die letzten gelblichen Krümel und allzu fettig wirkende Stellen. Dann spülen wir die Organe ab und tupfen sie mit Küchenpapier trocken.

Trotz ihrer geringen Grösse benötigen Hühnermägen eine ziemlich lange Garzeit. Die genaue Kochzeit hängt von der Grösse der Mägen ab und offenbar auch von der Lebeweise resp. Haltung der Tiere. Je nachdem sind die Mägen schon nach einer guten Stunde ziemlich weich – oder aber sie wollen deutlich länger geschmort werden. Am besten prüft man von Zeit zu Zeit mit einem Messer, wie zäh sie sich noch anfühlen. Hühnermägen haben einen kräftigen Fleischgeschmack und sind fettarm. Sie sondern beim Kochen auch etwas Gelatine ab, was Saucen zugute kommt.

In unseren Kochbüchern, und wir haben doch einige, finden sich kaum Rezepte mit Hühnermägen. Eine Ausnahme stellen polnische Kochbücher dar, denn Krupnik, eine der klassischen Suppen des Landes, wird generell mit Hühnermägen zubereitet. Bei Thomas Ruhl («Gutes Fleisch», S.245) lesen wir: «Geflügelmägen eignen sich zum Füllen mit Farcen oder zur Zubereitung von Fonds und Saucen.» Rezepte allerdings haben wir keine gefunden. So bleibt der Hühnermagen ein kulinarisches Kapitel, das noch zu schreiben ist – wir wollen mit unserem lemusischen Hühnermagen, der mit Zitrone geschmort wird, einen kleinen Beitrag dazu leisten.

Der Hühnermagen ist etwa 6 cm lang und wiegt ungereinigt rund 50 bis 70 g, gereinigt etwa ein Drittel weniger. (Zürich, Februar 2015)
Da Hühner auch ganze Körner und Steine verschlucken, haben sie eine relativ weite Speiseröhre – so scheint es uns auf jeden Fall.
Die verschiedenen Etappen der Reinigung eines Hühnermagens.
Das Innere des Magens ist mit einer gelblichen, grösstenteils strohartigen Masse gefüllt.
In diesem Magen haben wir auch kleine Federn und Knöchelchen gefunden – was illustriert, wie breit gefächert der Speiseplan des Haushuhns ist.
Im Magen des Huhns finden sich auch diverse kleine Steine, sogenannte Gastrolithen, die dem Tier beim Verarbeiten harter Nahrung helfen – eine Praxis, die auch unter Dinosauriern verbreitet war.
Die Magenschleimhaut hat eine umwerfende Goldfarbe – muss indes vor Verwendung entfernt werden weil sie bitter schmecken soll. Adam Lonitzer macht aus ihr Augentropfen.
In Japan gehören Hühnermägen zum Standard jeder Metzgerei. Ein Paket mit sechs Hühnermägen in der Foodhall des Warenhauses «Tokyu» in Tokio-Shibuia. (Juli 2014)
Gegrillte Hühnermägen und Knorpelstücke in einem Izakaya in Tokio-Ueno. So zubereitet geben einem die Mägen einiges zu beissen – vielleicht sind sie aber gerade deshalb ein beliebter Snack zu Bier.

Rezepte mit Hühnermagen

First Publication: 16-2-2012

Modifications: 20-2-2015