Klösschen aus zerstampftem Taro in süsser Kokosmilch – ein Rezept zu Peter Polters Episoda 151217 Kiriwina Oyuveyova
Alice Eddie war einst Stewardesse und kennt die Welt jenseits ihrer Heimat, der Insel Kiriwina im Trobriand-Archipel. Sie hat fünf Kinder grossgezogen, ist längst Grossmutter – und arbeitet derzeit in der «Lokuia Lodge» in Oyuveyova. Sie empfängt die Gäste an einer Rezeption, über der stolz «Internet-Café» geschrieben steht – auch wenn es natürlich kein Internet gibt, nie gegeben hat, auch nirgends sonst auf der Insel. Mehrmals pro Tag kurbelt sie sich mit einem Mob durch die luftige Empfangshalle, stoisch ignoriert sie die Befehle von Toku, der sich gerne aufführt wie der Boss. Wenn man Alice etwas fragt, dann macht sie zunächst grosse Augen – und antwortet erst nach einer kleinen Pause, mit leiser Stimme, scheu beinahe. Sie tut als hätte sie von nichts eine Ahnung – aber das ist nur ein Trick, um sich Toku vom Leib zu halten, denn natürlich weiss sie ganz genau, was alles passiert in dieser Lodge, im Dorf, auf der Insel, im Land.
An unserem vorletzten Tag auf Kiriwina fragen wir Alice, ob es denn nicht irgendeine kulinarische Spezialität gäbe, die typisch für die Trobriand-Inseln sei. «Mona», kommt es wie der Blitz, «etwas mit Taro und Kokosmilch». Wir sind interessiert und also unternimmt Alice alles, damit sie uns «Mona» noch am selben Abend vorstellen kann – trotz der seit Wochen anhaltenden Dürre, in der man eigentlich keinen Taro ernten sollte. Ja ihre halbe Familie wird eingespannt, die Süssspeise zu kochen, die, wie Alice mit einem grossen Seufzer schildert, sehr sehr aufwendig sei.
Und so steht am Abend eine Schale «Mona» mit auf dem Buffet – neben herrlichen Krabben und dem obligatorischen Yams. «Mona» lernen wir als eine Taro-Kokosnuss-Masse kennen, eine Art Sauce mit festeren Stücken drin. Erst später verstehen wir, dass es sich um Klösschen aus gekochtem und zerstampftem Taro handelt, die in süsser Kokosmilch nochmals erwärmt werden – ehe alles zusammen bei Raumtemperatur serviert wird. «Mona» hat etwas von einem Dessert für Kinder – und gefällt uns, wer weiss, vielleicht auch deshalb so gut. Zum Dank für den grossen Aufwand bestellen wir dann für den nächsten Tag einen schönen Regen – er wird prompt geliefert, in rauen Mengen sogar.
Auch der polnische Anthropologe Bronisław Malinowski, der zwischen 1915 und 1918 auf Kiriwina lebte und die Kultur der Einheimischen erforschte, beschreibt das Kochen von «Mona» als eine äusserst aufwendige Angelegenheit, die, wie so vieles auf den Trobriand-Inseln, natürlich den Charakter einer «zeremoniellen Zubereitung» hat. In einem Brief an seine Verlobte Elsie Masson vom 14. Dezember 1917 findet er dafür die folgenden Worte: «It is a big affair: the big clay pots put up in the village, lots of scraping, beating, coconut cream prepared, big wooden ladels [sic] to mix the mess… The whole thing somewhat in the style of the Polish X-mas Eve meal: two days of preparing, then 10 minutes of cooking, then the stuff is gulped down in a few minutes and the whole fun is over. The main point of it is in the preparation of course.» (Zitiert nach Michael W. Young: «What Did Malinowski Eat in Papua?» Publiziert am 30. Oktober 2015 auf der Webseite «Anthropology now»)
Wir halten uns hier an das Rezept, wie es uns Alice Eddie beschrieben hat. Allerdings verwenden wir Kokosmilch aus der Dose, was die Zubereitung erheblich vereinfacht – wer die Milch selbst herstellen will, findet eine entsprechende Anleitung hier.
Ein wesentlicher Reiz von «Mona» rührt daher, dass das Rezept auf Kiriwina über offenem Feuer gekocht wird und daher einen starken Rauchgeschmack hat, der für Nachspeisen eher ungewöhnlich ist. Offene Feuerstellen lassen sich in unseren Küchen meist nicht ohne biographische Konsequenzen einrichten, deshalb schlagen wir hier einen anderen Weg vor, wie der Rauchgeschmack in das Gericht geholt werden kann.
Kochzeit 20 Minuten
Räucherzeit 30 Minuten
1 kleiner Taro von 250 g, geschält, der Länge nach geviertelt
50 g Zucker für die Sauce
1.5 dl Kokosmilch
1 kleine Prise Salz für die Sauce
5 EL Buchenmehl für den Rauch
20 g Zucker für den Taro
1 kleine Prise Salz für die Klösschen
Ob man die Taro-Stücke räuchert oder nicht, macht nicht nur geschmacklich einen Unterschied: Ohne Rauch hat das Dessert eine helle Elfenbeinfarbe (es sei denn man lässt den Zucker für die Sauce sehr braun werden), geräuchert bekommt «Mona» eine dunkle Goldfarbe. Uns schmeckt die Nachspeise auch mit ungeräuchertem Taro gut – entführt aber so etwas weniger in die verrauchten Küchen der Trobriand-Inseln. Lässt man das Räuchern aus, ist «Mona» im Handumdrehen zubereitet.
First Publication: 27-12-2015
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