D | E  

Neuste Beiträge

HOIO und Cookuk

  • Das Tagebuch von Raum Nummer 8 (Susanne Vögeli und Jules Rifke)
  • HOIO-Rezepte in der Kochschule – das andere Tagebuch

Etwas ältere Beiträge

Grosse Projekte

Mundstücke

Gewürze aus Santa Lemusa

Abkürzungen

«Mona» ist wahrscheinlich die berühmteste Speise der Trobriand-Inseln: Klösschen aus gekochtem und zerstampftem Taro in süsser Kokosmilch-Sauce. (Kiriwina, Dezember 2015)

Mona

Klösschen aus zerstampftem Taro in süsser Kokosmilch – ein Rezept zu Peter Polters Episoda 151217 Kiriwina Oyuveyova

Alice Eddie war einst Stewardesse und kennt die Welt jenseits ihrer Heimat, der Insel Kiriwina im Trobriand-Archipel. Sie hat fünf Kinder grossgezogen, ist längst Grossmutter – und arbeitet derzeit in der «Lokuia Lodge» in Oyuveyova. Sie empfängt die Gäste an einer Rezeption, über der stolz «Internet-Café» geschrieben steht – auch wenn es natürlich kein Internet gibt, nie gegeben hat, auch nirgends sonst auf der Insel. Mehrmals pro Tag kurbelt sie sich mit einem Mob durch die luftige Empfangshalle, stoisch ignoriert sie die Befehle von Toku, der sich gerne aufführt wie der Boss. Wenn man Alice etwas fragt, dann macht sie zunächst grosse Augen – und antwortet erst nach einer kleinen Pause, mit leiser Stimme, scheu beinahe. Sie tut als hätte sie von nichts eine Ahnung – aber das ist nur ein Trick, um sich Toku vom Leib zu halten, denn natürlich weiss sie ganz genau, was alles passiert in dieser Lodge, im Dorf, auf der Insel, im Land.

An unserem vorletzten Tag auf Kiriwina fragen wir Alice, ob es denn nicht irgendeine kulinarische Spezialität gäbe, die typisch für die Trobriand-Inseln sei. «Mona», kommt es wie der Blitz, «etwas mit Taro und Kokosmilch». Wir sind interessiert und also unternimmt Alice alles, damit sie uns «Mona» noch am selben Abend vorstellen kann – trotz der seit Wochen anhaltenden Dürre, in der man eigentlich keinen Taro ernten sollte. Ja ihre halbe Familie wird eingespannt, die Süssspeise zu kochen, die, wie Alice mit einem grossen Seufzer schildert, sehr sehr aufwendig sei.

Und so steht am Abend eine Schale «Mona» mit auf dem Buffet – neben herrlichen Krabben und dem obligatorischen Yams. «Mona» lernen wir als eine Taro-Kokosnuss-Masse kennen, eine Art Sauce mit festeren Stücken drin. Erst später verstehen wir, dass es sich um Klösschen aus gekochtem und zerstampftem Taro handelt, die in süsser Kokosmilch nochmals erwärmt werden – ehe alles zusammen bei Raumtemperatur serviert wird. «Mona» hat etwas von einem Dessert für Kinder – und gefällt uns, wer weiss, vielleicht auch deshalb so gut. Zum Dank für den grossen Aufwand bestellen wir dann für den nächsten Tag einen schönen Regen – er wird prompt geliefert, in rauen Mengen sogar.

Auch der polnische Anthropologe Bronisław Malinowski, der zwischen 1915 und 1918 auf Kiriwina lebte und die Kultur der Einheimischen erforschte, beschreibt das Kochen von «Mona» als eine äusserst aufwendige Angelegenheit, die, wie so vieles auf den Trobriand-Inseln, natürlich den Charakter einer «zeremoniellen Zubereitung» hat. In einem Brief an seine Verlobte Elsie Masson vom 14. Dezember 1917 findet er dafür die folgenden Worte: «It is a big affair: the big clay pots put up in the village, lots of scraping, beating, coconut cream prepared, big wooden ladels [sic] to mix the mess… The whole thing somewhat in the style of the Polish X-mas Eve meal: two days of preparing, then 10 minutes of cooking, then the stuff is gulped down in a few minutes and the whole fun is over. The main point of it is in the preparation of course.» (Zitiert nach Michael W. Young: «What Did Malinowski Eat in Papua?» Publiziert am 30. Oktober 2015 auf der Webseite «Anthropology now»)

Wir halten uns hier an das Rezept, wie es uns Alice Eddie beschrieben hat. Allerdings verwenden wir Kokosmilch aus der Dose, was die Zubereitung erheblich vereinfacht – wer die Milch selbst herstellen will, findet eine entsprechende Anleitung hier.

Ein wesentlicher Reiz von «Mona» rührt daher, dass das Rezept auf Kiriwina über offenem Feuer gekocht wird und daher einen starken Rauchgeschmack hat, der für Nachspeisen eher ungewöhnlich ist. Offene Feuerstellen lassen sich in unseren Küchen meist nicht ohne biographische Konsequenzen einrichten, deshalb schlagen wir hier einen anderen Weg vor, wie der Rauchgeschmack in das Gericht geholt werden kann.

Kochzeit 20 Minuten
Räucherzeit 30 Minuten

Zutaten (für 2 bis 4 Personen)

1 kleiner Taro von 250 g, geschält, der Länge nach geviertelt

50 g Zucker für die Sauce

1.5 dl Kokosmilch

1 kleine Prise Salz für die Sauce

5 EL Buchenmehl für den Rauch

20 g Zucker für den Taro

1 kleine Prise Salz für die Klösschen

Zubereitung

  1. In einer Pfanne 6 dl Wasser zum Sprudeln bringen und die Taro-Stücke darin 10 bis 15 Minuten so weich kochen, dass sie sich mit einer Gabel zerdrücken lassen. Stücke sorgfältig aus dem Wasser heben.
    Die Kochzeit hängt von der verwendeten Taro-Art ab und kann recht unterschiedlich lang sein. Während des Kochens steigt bei manchen Taro-Arten ein herrlicher Duft auf.
  2. Zucker für die Sauce in einem Pfännchen auflösen, dann mit Kokosmilch ablöschen und köcheln bis sich der Zucker ganz aufgelöst hat. Sauce 5 Minuten lang ein wenig eindicken lassen, mit einer Prise Salz abschmecken.
    Bei diesem Schritt kann man wesentlich steuern, welches Aroma das fertige Dessert haben wird. Je stärker man den Zucker braun werden lässt, desto kräftiger wird das Karamell-Aroma – allerdings reduziert das Karamellisieren auch die Süsskraft des Zuckers, was man aber je nach Gusto natürlich leicht durch Nachzuckern ausgleichen kann.
  3. Eine nicht beschichtete Bratpfanne aus Edelstahl (mit passendem Deckel) innen mit Alufolie auskleiden. 5 EL Buchenmehl über den Boden des Topfes verteilen. Ein niedriges Gitter darüber in Stellung bringen, Taro-Stücke vorsichtig auf das Gestell setzen.
  4. Pfanne erhitzen bis das Mehl zu rauchen beginnt. Deckel auflegen, Hitze auf etwas mehr als das Minium reduzieren, 10 Minuten räuchern, Hitze stoppen und 10 Minuten nachziehen lassen.
    Wer es etwas weniger rauchig haben möchte, kann auch nur einen Teil der Taro-Stücke räuchern – und wer es eilig hat, verzichtet ganz auf diesen Schritt.
  5. Alle Taro-Stücke auf einen Teller legen und mit Hilfe einer Gabel zerquetschen, Zucker und Salz beigeben und alles zu einer möglichst homogenen Masse verarbeiten.
    Im Rauch entwickeln die Taro-Stücke eine hellbraune, etwas ledrige Haut, die sich nicht gänzlich in der Taro-Masse auflösen lässt – im fertigen Gericht aber kaum mehr wahrnehmbar ist.
  6. Die Finger mit Wasser befeuchten, etwa traubengrosse Klösschen formen und in die Kokosmilch-Sauce geben.
  7. Die Sauce mit den Klösschen erwärmen und etwa 5 Minuten leicht köcheln lassen, dabei sorgfältig umrühren.
    Die Klösschen bleiben in der Sauce erstaunlich stabil – und wenn einzelne auseinanderbrechen, dann ist das auch kein grosser Schaden.
  8. «Mona» kann kalt serviert werden – uns schmeckt das Dessert aber besser wenn es kurz vor dem Essen noch einmal leicht erwärmt wird. Vor allem die geräucherte Variante ist warm deutlich stimmiger.

Ob man die Taro-Stücke räuchert oder nicht, macht nicht nur geschmacklich einen Unterschied: Ohne Rauch hat das Dessert eine helle Elfenbeinfarbe (es sei denn man lässt den Zucker für die Sauce sehr braun werden), geräuchert bekommt «Mona» eine dunkle Goldfarbe. Uns schmeckt die Nachspeise auch mit ungeräuchertem Taro gut – entführt aber so etwas weniger in die verrauchten Küchen der Trobriand-Inseln. Lässt man das Räuchern aus, ist «Mona» im Handumdrehen zubereitet.

Alice Eddie war einst Stewardesse und kennt die Welt jenseits ihrer Heimat, der Insel Kiriwina – heute arbeitet sie an der Rezeption der «Lokuia Lodge». (Dezember 2015)
Über der Rezeption der «Lokuia Lodge» steht stolz «Internet-Café» geschrieben – auch wenn es natürlich kein Internet gibt, nie gegeben hat, auch nirgends sonst auf der Insel. (Dezember 2015)
«Mona» und andere Leckereien auf dem Buffet in der «Lokuia Lodge».
Bronisław Malinowski hat die Zubereitung von «Mona» auch fotografiert. Der gekochte Taro wird mit einem Stössel zu einem Muss zerschlagen, aus dem dann und die Klösse geformt werden. (Das Bild haben wir dem Artikel «What Did Malinowski Eat in Papua?» von Michael W. Young entnommen, der am 30. Oktober 2015 auf der Seite «Anthropology now» veröffentlich wurde.)
Je nach Taro-Art, die man verwendet, ist die Kochzeit recht unterschiedlich lang – dieser Taro aus Thailand liess sich schon nach 10 Minuten mit der Gabel zerdrücken.
Das Aroma von «Mona» hängt stark davon ab, wie kräftig man den Zucker karamellisiert – ehe man ihn mit der Kokosmilch ablöscht. (Zürich, Dezember 2015)
Beim Räuchern verfärben sich die Taro-Stücke, was dann natürlich auch einen Einfluss hat auf das fertige Dessert, das so etwas dunkler und bräunlicher wird.
Auf Kiriwina wird der Taro mit hölzernen Stösseln zu einem Mus zerquetscht. Wir verwenden einfach eine Gabel - hier wird ungeräucherter Taro vermust.
Im Rauch entwickeln die Taro-Stücke eine hellbraune, leicht ledrige Haut. Sie lässt sich beim Zerquetschen nicht ganz in der Taro-Masse auflösen.
Mit leicht befeuchteten Händen lassen sich aus der Taro-Masse leicht etwa traubengrosse Klösschen formen.
Zum Schluss wird «Mona» nochmals einige Minuten lange geköchelt – hier eine Variante mit ungeräuchertem Taro.
Die einfachen Taro-Klösschen halten in der köchelnden Caramel-Kokosmilchsauce erstaunlich gut die Form.
Leicht erwärmt schmeckt «Mona» ganz besonders gut – hier haben wir das Dessert ohne Räuchern des Taro zubereitet, die Farbe ist entsprechend hell.
Wenn man die Taro-Stücke räuchert, dann hat das fertige Dessert eine dunkle Goldfarbe.

First Publication: 27-12-2015

Modifications: