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Lunge ist nicht sehr beliebt. Deshalb wissen viele Metzger auch nicht, wie sie damit umgehen sollen – aus dem Wallis haben wir Lamm-Lunge in sehr unterschiedlich zurechtgestutzten Stücken bekommen. (Zürich, September 2014)

Lunge vom Lamm

Und das weiss das Lexikon

Die Lunge (pulmo, resp. pulmonis; engl. lungs, lights; franz. poumons; span. pulmones; ital. polmoni) ist ein Organ, das der Atmung dient, sie bringt die Luft mit dem Blut in Kontakt. Bei den meisten Säugetieren besteht die Lunge aus zwei Flügeln, die wiederum in mehrere Lappen unterteilt sind. Die Lunge selbst besitzt keine Muskulatur, die Luft wird mittels Zwerchfell und Rippenmuskeln eingesaugt. Die Lunge vom Lamm hat eine glatte Oberfläche und eine dunkel rosarote Farbe, bei einem jungen Tier wiegt sie durchschnittlich 700 g.

Charakter und Verwendung

Lunge ist als Fleisch nicht sehr beliebt und entsprechend schwer zu bekommen. Das war offenbar schon im 19. Jahrhundert so, wie das «Appetit-Lexikon» (S. 301) weiss: «Lunge […] ist wenig schmackhaft und noch weniger gut verdaulich und wird deshalb selten oder nie als selbstständiges Gericht, sondern mit Herz, Schlund und Milz zusammen als Geschlinge hauptsächlich zur Wurstfabrikation verwendet.» Auch 80 Jahre später hat sich daran nichts geändert, wie man etwa bei Kurt Nagel («Herz, Hirn und andere gute Sachen») nachlesen kann: «Lunge ist nicht sehr beliebt und ist eher im süddeutschen Raum bekannt. […] Lunge zählt mit zu den preiswertesten Innereien.» Und sogar Anissa Helou («Offal», S. 118) mag sich für dieses Organ nicht recht erwärmen: «Of all offal, lungs are perhaps the least interesting gastronomically. even so, I used to love them when I lived in Beirut many years ago. But the last time I was there my mother prepared them for me, I was rather less enthusiastic. They seamed to taste rather bland and the texture wasn’t as pleasing as I had remembered. I wonder if new farming methods have affected both taste and texture.» Wir teilen diese Einschätzungen der Lunge nicht, wie auch unser «Mundstück» (siehe oben) illustriert: Lunge hat einen ganz speziellen Charakter, eine ganz eigene Konsistenz, das ist wahr. Doch was kann daran schlecht sein?

In den USA ist der Verkauf von Lunge für den Verzehr seit 1971 verboten. In Frankreich können einem die meisten Metzger auf Bestellung Kalbs- oder Lammlunge besorgen. In der Schweiz findet man Kalbslunge in den «Manor»-Filialen der französischen Schweiz – Lammlunge manchmal bei einem türkischen Metzger.

Küchenfertig machen. Lunge ist recht einfach küchenfertig zu machen, wie man so schön sagt. Auf der Oberfläche des Organs hängen manchmal lose Knorpel- und Fettstreifen, die man abziehen oder abschneiden kann. Auf den Lungenflügeln sitzt eine feine Haut – ähnlich wie auf der Leber. Wir haben sie manchmal abgezogen, manchmal auch nicht – einen Unterschied konnten wir weder im Verhalten des Fleisches (etwa beim Braten) noch beim Aroma feststellen. Etwas mehr Aufmerksamkeit verlangen die diversen, mit einer etwas knorpeligen Schicht ausgekleideten Luftadern, die das Gewebe durchziehen. Es gibt sie in verschiedenen Grössen. Die grösste Ader ist die Luftröhre (Trachea), die wenigstens fingerdick bis etwa in die Mitte des Lungenflügels verläuft. Diese Röhre schneiden wir auf jeden Fall weg – je nach Zubereitungsweise vor oder nach dem Kochen. Zu Beginn haben wir auch alle grösseren Verästelungen der Trachea entfernt – wurden diesbezüglich aber immer grosszügiger. Denn die knorpeligen Röhrchen sind nach dem Kochen für den Mund kaum noch wahrzunehmen.

Österreichische versus französische Methoden. Tipps für die Zubereitung von Lunge sind rar – und überdies sehr heterogen. Die meisten Rezepte stammen entweder aus Frankreich, aus Süddeutschland oder aus Österreich. Die Österreicher blanchieren die Lunge zuerst im Ganzen oder in grossen Stücken, dann kochen sie das Fleisch meist mit Wurzelgemüse und lassen es erkalten. Nun erst schneiden sie die Adern und Röhren heraus, zerlegen das Fleisch in Stücke und wärmen es in einer würzigen Sauce wieder auf. Die Franzosen hingegen scheiden das Fleisch meist zunächst in Stücke, blanchieren es manchmal, und schmoren es dann mit Wein, Gewürzen, Gemüse etc. Während die Österreicher die gekochte Lunge meist pressen, um das Wasser herauszudrücken, welche das schwammige Gewebe während des Kochens aufgenommen haben soll, scheinen französische Lungen einer solchen Behandlung nicht zu bedürfen. Auch die Kochzeiten variieren zwischen 35 Minuten (Sarah Wiener: «Herdhelden») und 3 Stunden oder mehr. Es gibt auch Rezepte, in welchen die Lungen vor dem Kochen gepresst oder über Nacht gewässert werden.

Berühmte Rezepte. Zu den berühmtesten Lungenrezepten gehört sicher das Beuschel, wie es in Wien zubereitet wird – wir geben auf diesen Seiten ein klassisches Rezept dafür wieder. Das Beuschel hat grosse Ähnlichkeit mit dem im süddeutschen Raum verbreiteten Sauren Lüngerl, der Lugensuppe oder dem Lungenhaschee. Es gibt indes auch andere Zubereitungen – Calvin W. Schwabe («Unmentionable Cuisine») zum Beispiel kennt auch ein Lungenrezept von den Philippinen und Anissa Helou «Offal» eine pulmonische Delikatesse aus Hong Kong. Lungenfleisch gehört auch in ein schottisches Haggis oder in britische Faggots. Die meisten Lungen werden indes als unsichtbare und unerkannte Zutat von Wurstwaren aller Art oder Pâtés verzehrt.

Lunge vom Grill. Hat man die Scheu vor diesem speziellen Fleisch erst einmal verloren, kann man auch experimentieren. Am besten kommt die spezielle Konsistenz der Lunge zum Ausdruck, wenn man Scheiben von ihr auf dem Grill brät. Dabei kann es durchaus sein, dass früher oder später etwas Schaum aus dem Gewebe quillt – kleinen Schwefelquellen ähnlich, die vor sich hin blubbern. Dies liesse sich bestimmt durch vorgängiges Pressen des Organs vermeiden, es stört aber eigentlich nicht. Vom Grill wird die Lunge luftig und etwas schwammig-elastisch – ein wenig wie Marshmallow. Dabei bleibt sie innen eher zart, behält hartnäckig eine dunkle Rosafarbe bei und ist selbst dann noch ziemlich saftig, wenn sie aussen schon leicht angekohlt ist. Gegrillte Lunge hat ein völlig eigenes Aroma, das sich mit keinem anderen Fleisch vergleichen lässt – wir haben salziges Nougat, frisch aufgegrabene Erde und die braune Haut von Champignons assoziiert.

Lunge mit Petersilie und Knoblauch. Ganz anders wird die Lunge, wenn man sie in feine Streifen schneidet und in Öl scharf anbrät. Das Fleisch pfeift in der Pfanne und nimmt schnell eine schöne Farbe und Kruste an. Wir geben zum Schluss etwas fein gehackte Petersilie, eine gehackte Knoblauchzehe, Salz und Pfeffer dazu. Das Fleisch ist knusprig, auf nicht unangenehme Weise ein wenig gummig und bleibt innen saftig – wobei «saftig» die Sache nicht ganz trifft, eher könnte man vielleicht von einer saftigen Unsaftigkeit sprechen.

Die Luftröhre verschwindet am oberen Ende der Lunge im Inneren des Organs und verästelt sich dann. (Zürich, September 2014)
Den dicken Mittelteil der hier freigelegten Luftröhre schneiden wir vor oder nach dem Kochen heraus – die feineren Verästelungen verändern sich beim Garen so, dass sie beim Essen kaum mehr stören.
Auf der Oberfläche der Lunge sitzt, wie auch auf der Leber, eine feine Haut, die sich mit den Fingern gut abziehen lässt.
Wir haben die Haut bei einigen Stücken (links) abgezogen, bei anderen aber nicht – einen Unterschied konnten wir weder im Verhalten des Fleisches (etwa beim Braten) noch beim Aroma feststellen.
Beim Kochen im Sud wechselt die Farbe der Lunge schnell von einem leuchtenden Dunkelrosa zu einem matten Grau.
Bald steigt ein gräulich-bräunlicher Schaum auf, den wir abschöpfen.
Die Lunge neigt dazu, ziemlich weit aus dem Sud zu ragen – je nachdem reicht ein Teller, sie unter Wasser zu halten.
Gekocht hat die Lunge eine glatte Konsistenz und eine dunkelrot und braun gefleckte Farbe. Auffällig sind die mit einer dünnen Knorpelschicht ausgekleideten Verästelungen der Luftröhre. Kalt hat die gesottene Lunge eine glatte, schinkenartige Konsistenz und wirkt fast ein wenig fett – das Aroma erinnert auch ein wenig an sehr feine und feste, vielleicht an der Luft getrocknete Blutwurst.
Legt man die Lunge auf den Grill, kann es durchaus sein, dass früher oder später etwas Schaum aus dem Gewebe quillt – dies liesse sich, wenn es einen denn stört, bestimmt durch vorgängiges Pressen des Organs vermeiden. (Zürich, September 2014)
Lunge in feinen Streifen, scharf angebraten, mit Petersilie, Knoblauch, Salz und Pfeffer aromatisiert – dazu ein Stück Brot. (Zürich, September 2014)

Rezepte mit Lammlunge

First Publication: 20-9-2014

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