Schulter vom Rind, geschmort in Nebbiolo-Wein mit Karotten, Stangensellerie und exotischen Gewürzen – ein Rezept zu Peter Polters Episoda 131005 Barolo La Morra
Der Brasato al Barolo gehört zu den grossen Klassikern der piemontesischen Küche. Es gibt kaum ein Traditions-Lokal, das ihn nicht anbietet. Entsprechend zahlreich sind die Rezepte, die kursieren – wobei sie sich meist nur bei den eher sekundären Zutaten voneinander unterscheiden. Uns hat ein Braten besonders gut gefallen, den wir im Restaurant «La Cantinetta» in Barolo vorgesetzt bekamen – gewissermassen als Trost nach einem eher zähen Wildschwein-Ragout, dem es auch deutlich an Charakter fehlte.
Das «Cantinetta» liegt zwar im Herzen des touristisch stark frequentierten Dörfchens, das dem berühmtesten aller Nebbiolo-Weine den Namen gegeben hat, strahlt aber eine gewisse Unkorrumpierbarkeit aus – und serviert eine sehr anständige Küche mit schönen Weinen im Offenausschank. Bei den Antipasti, die im Piemont grundsätzlich immer als eigene kleine Speisefolge aufgetischt werden, überraschte uns vor allem ein grosser Raviolo, in dessen Inneren unsere Gabel auf ein fast gänzlich rohes Ei stiess – wie zum Teufel kriegt man so etwas nur zustande?
Der Brasato al Barolo kam deutlich weniger rätselhaft daher – überraschte aber wie jedes Mal durch die deutliche Präsenz exotischer Gewürze in der grosszügig servierten Weinsauce. Exotische Gewürze kommen in der Küche des Piemont sonst nur selten vor – warum also spielen sie ausgerechnet in diesem Braten eine so zentrale Rolle? Die Gewürze, vor allem die Exoten Piment, Nelken und Zimt, aber auch Wacholder und der waldige Rosmarin, bilden eine Art Echoraum zu jenen Aromen, die man auch in einem reifen Nebbiolo-Wein wie einem Barolo finden kann. Sie sind also unserer Ansicht nach dazu da, die aromatische Grundidee des Gerichts zu verdeutlichen. Eine verständliche und gleichwohl kühne Idee, die uns sehr für dieses Gericht einnimmt.
Für den Brasato al Barolo verwendet man in der Regel ein Stück aus der Schulter des Rinds. Am besten eignet sich die Schulterspitze, da sie etwas kompakter ist und gewissermassen von Natur aus eine schöne, eher längliche und folglich gut tranchierbare Bratenform hat. Wir geben auch eine Scheibe Kalbsfuss in die Sauce, weil sie so mehr Körper bekommt und gelatinöser wird. Die Rezepte aus dem Piemont, die wir konsultiert haben, sahen allerdings keine solche Zugabe vor.
Wenn Geld keine Rolle spielt, dann kann man das Gericht mit einem beliebig edlen Barolo aus den Langhe zubereiten (zum Beispiel mit einem 1996er Montfortino Reserva von Giacomo Conterno). Am besten schmort man den Braten dann auch auf einem Holzherd, den man mit ein paar ausgewählten Guarneri-Geigen beheizt. Wer ein Herz hat für Musik und eine gewisse Empathie für seinen Geldbeutel, der wählt einen einfacheren Barolo oder besser noch einen anständigen Veltliner, der ja ebenfalls aus der Nebbiolo-Traube gekeltert wird. Man kann auch auf Burgunder ausweichen, den aromatischen Halbbruder des Barolo.
Zunächst haben wir nicht verstanden, wozu eine Marinade dienlich sein soll, wenn das Fleisch nur eben 12 Stunden darin liegt. In dieser kurzen Zeit dringt der Wein gerade mal 5 mm in den Braten ein – auf seine Konsistenz dürfte das kaum einen nennenswerten Einfluss haben. Nach den ersten Versuchen aber haben wir verstanden, dass hier nicht der Wein den Braten konditioniert, sondern umgekehrt, das Fleisch den Wein verändert, der in den 12 Stunden allerlei Stoffe aus dem Muskel, den Gewürzen und dem Gemüse aufnimmt – und also gewissermassen auf die Begegnung mit dem Fleisch im Schmortopf eingestimmt wird.
Brasato al Barolo wird grundsätzlich mit viel Sauce serviert – obwohl das Fleisch gar nicht so trocken herauskommt, wie man es bei einer fettarmen Rinderschulter befürchten könnte. In Barolo wurden dazu Kartoffelstock und Rübchen serviert. Auch für den Brasato al Barolo gilt die universale Schmorgericht-Regel, dass er wieder aufgewärmt noch einmal besser schmeckt. Wir geben hier ein Rezept für einen Braten von einem Kilo wieder. Wir haben nach demselben Verfahren aber auch schon grössere Stücke (bis 1.6 kg) zubereitet – ohne die Menge der übrigen Zutaten zu verändern.
Kochzeit 4 Stunden
1 kg Schulterbraten vom Rind (am besten Schulterspitze)
1 grössere Scheibe Kalbsfuss (150-200 g)
2 Karotten (160 g), geschält, halbiert und in Stücke geschnitten
3 Stängel Stangensellerie, in Rädchen (120 g geputzt)
2 Zwiebeln (200 g)
4 Zehen Knoblauch
1 Stange Zimt (8 g), zerbrochen
1 TL Wacholder, im Mörser leicht angedrückt
1 TL Piment, im Mörser leicht angedrückt
2 Blätter Lorbeer
Lorbeer1 stattlicher Zweig Rosmarin (ca. 8 g)
1 Flasche Rotwein aus der Nebbiolo-Traube (Barolo, Veltliner)
1 EL Butter (20 g)
2 EL Olivenöl
2 TL Salz
2 TL schwarzer Pfeffer, frisch gemahlen
First Publication: 10-10-2013
Modifications: