Geschichte. Gelegentlich liest man, das Haushuhn (Gallus gallus domesticus) sei aus dem Burma-Bankivahuhn (Gallus gallus) entstanden. Andere Quellen ziehen auch das wilde Sonnerathuhn (Gallus sonneratii) in Betracht. Alan Davidson («Oxford Companion to Food», Kapitel Hen / Chicken breeds) auf den wir uns im Folgenden hauptsächlich beziehen, formuliert vorsichtiger und allgemeiner, dass als wilde Vorfahren unserer Haushuhns verschiedene Arten von Dschungel-Hühnern des Genus Gallus in Frage kämen, die auf dem indischen Subkontinent und in Südostasien beheimatet sind. Gezüchtet wurden Hühner offenbar zuerst in China – je nach Quelle geschah dies schon im 6. oder aber erst im 2. Jahrtausend v. Chr. Von China aus gelangte das Huhn nur sehr langsam nach Westen und soll erst etwa um 600 v. Chr. nach Griechenland gekommen sein, von Persien aus. Hühner resp. Hähne sind auf einigen attischen Vasen abgebildet und Davidson kennt «numerous references in classical literature, for example to their being served as food at symposia.»
Die Römer züchteten Hühner des Fleisches wegen – und zwar in ziemlich grossem Stil. Davidson hat bei Columella (4–70) die Beschreibung einer schweren Henne mit fünf Zehen gefunden (die meisten Arten haben nur vier) und meint, ähnliche Hühner würden immer noch in Norditalien herumlaufen. Im Mittelalter war das Huhn in weiten Teilen Europas allgemein verbreitet. Trotzdem soll es lange nur wenige Rassen gegeben haben. Die Situation änderte sich erst Mitte des 19. Jahrhunderts, als englische Seefahrer Hühner aus Asien nach England brachten. Zugleich soll die Zucht von Hühnern in Mode gekommen sein – Davidson: «Queen Victoria’s Cochin fowl, which she placed on exhibition, made poultry breeding a fashionable pursuit. The decorative appearance of Asian breeds, their egg-laying capacity (winter as well as summer), and the eggs themselves (large and brown, practically unknown in Europe until then) stimulated interest in poultry generally.» Von England aus schwappte die Begeisterung für die Hühnerzucht auch bald aufs Festland über. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts wurden auch in Amerika eifrig neue Hühnerrassen gezüchtet, die dann von dort aus wieder nach Europa zurückkehrten.
Rassen. Heute gibt es nur schon in Europa etwa 180 standardisierte Rassen – weltweit dürften es wohl Tausende sein. In der industriellen Landwirtschaft kommen indes nur ganz wenige Rassen zum Einsatz – es sind Hybridhühner, welche sich nicht für die Weiterzucht eignen und weltweit von nur gerade vier Grosskonzernen gezüchtet und vermarktet werden (siehe auch weiter unten).
Tier. Das Haushuhn (Gallus gallus domectica; engl. chicken, rooster, hen; franz. poulet, poule, coq; span. gallo, gallina; ital. pollo; chin. 鸡 jī) ist ein Vogel aus der Famile der Phasianidae (Fasanenartige). Das Tier wiegt je nach Rasse etwa 0.5 kg (Zwerghühner) bis 5 kg. Würde ein Haushuhn nicht vorher wegen seines Fleisches geschlachtet oder wegen abnehmender Legefreude vernichtet, so könnte es je nach Quelle 5 bis 9 oder gar 50 Jahre alt werden. Fast alle Rassen haben einen roten Kamm, der indes sehr verschieden geformt sein kann. Die meisten Rassen haben vier Zehen, wobei drei nach vorne gerichtet sind, während sich eine nach hinten streckt. Lauf und Zehen sind bei den meisten Rassen federlos. Das Federkleid kann in Farbe und Beschaffenheit sehr unterschiedlich sein – wobei das Kleid der Hennen beim Geschlechtsakt leidet weil sich der Hahn am Kopf der Henne festhält und sich zugleich auf ihren Körper stellt. Hähne sind in mancher Beziehung etwas besser ausgestattet: Sie haben das schönere Federkleid und einen sichelförmigen Federschwanz, den grösseren Kamm und ab einem bestimmten Alter einen Kampf-Sporn über der Hinterzehe. Im Gegenzug wechselt die Henne ihr Federkleid jährlich im Herbst aus. Während dieses Prozesses, der Mauser genannt wird, erneuern die Hühner auch ihre Reproduktionsorgane. Haushühner sind Laufvögel, können jedoch auch einige Meter weit fliegen.
Masthühner. Hühner sind wirtschaftlich effiziente Fleischlieferanten – vor allem die Rassen, die heute zum Einsatz kommen und ganz auf Mastbetriebe spezialisiert sind. Nach dem Schlüpfen wiegt ein Küken etwa 40 g, zwei Wochen später bereits 400 g und erreicht nach einem Monat schon das Schlachtgewicht von 1.5 kg – frühere Rassen benötigten doppelt so viel Zeit. Auch das Verhältnis von Futter und Fleisch ist bei der Hühnerproduktion sehr günstig: Für die Produktion von 1 kg Hühnerfleisch werden gut 1.5 kg Futter benötigt (ein Schwein frisst pro kg Fleisch 3 kg Futter und ein Rind sogar 8).
Legehühner. Legerassen können im Jahr bis 300 Eier legen – aber nur, wenn ihnen täglich das gelegte Ei weggenommen wird. Würden man die Eier nicht entfernt, würden sich die Hennen ans Ausbrüten machen und nach etwa 21 Tagen würde ein Küken schlüpfen. Das ständige Eierlegen ist für Hühner ein Stress, weshalb die Populationen oft nach einer Legeperiode ausgetauscht werden.
Zweinutzungs-Hühner. Früher hielt man die gleichen Hühner sowohl wegen der Eier wie auch wegen ihres Fleisches. Und es gibt auch heute noch diverse Rassen, die sich für eine doppelte Nutzung eignen (das berühmte weisse Schweizer Huhn etwa, Wyandotten, rote Rhodeländer, Sussex-Hühner etc.), die also eine befriedigende Eierleistung erbringen und zugleich gut gemästet werden können. Der Typ des Zweinutzungshuhnes konnte sich aber in der modernen Hühnerzucht nicht durchsetzen, wie Gerhard Bellof (Kapitel Geflügelproduktion in Jürgen Weiss et al. «Tierproduktion») schreibt, «vor allem weil die beiden Nutzungsarten durch eine negative Korrelation miteinander verbunden sind, sich also gegenseitig behindern.» Eiererzeuger bevorzugen heute «einseitig auf die Eierleistung gezüchtete und vom Brutinstinkt weitgehend befreite Rassen, deren bekannteste Vertreter die Weissen Leghorns und die rebhuhnfarbigen Italiener sind oder waren.» Denn heute spielen die reinrassigen Hühner in der Eierproduktion eine ebenso untergeordnete Rolle wie in der Geflügelmast: «In beiden Nutzungsrichtungen haben sich die Hybridhühner durchgesetzt, die von kapitalkräftigen Zuchtunternehmen als Markenartikel angeboten werden. Welche Rassen, Linien oder Stämme zur Kreuzung herangezogen werden, wird von den Zuchtbetrieben als Geschäftsgeheimnis gehütet.»