Susanna wuchs als Tochter von Bauern auf, die am Südufer der Créo Getreide und Senf anbauten. Als sie 17 Jahre alt wurde, sollte sie mit einem jungen Mann vom Nachbarhof vermählt werden – aber sie weigerte sich, ohne Gründe nennen zu können, ja ohne selbst die Gründe zu kennen. Erzürnst sperrte sie ihr Vater in den Schweinestall ein, wo sie die Nacht verbrachte – es war die Nacht ihres 17. Geburtstags. Als der Vater seine Tochter am Morgen aus dem Stall liess, hatte Susanna das Sprechen verlernt und es kamen ihr nur noch Grunzlaute über die Lippen. Beschämt verliess die junge Frau den Hof ihrer Eltern und zog sich auf eine völlig menschenleere Insel (Maioli) mitten im Créo-Fluss zurück. Dort gelangte sie, wie es heisst, durch Gebet und Meditation zu höherer Einsicht und Weisheit. Niemand wusste, wo sie war. Ihr Vater, von Schuldgefühlen gepeinigt, suchte sie viele Wochen lang und landete dabei eines Tages auch auf der Insel. Susanna aber versteckte sich.
Zehn Jahre lang lebte sie so und kein menschliches Wort kam während dieser Zeit über ihre Lippen. Sie erfand Gebete in der Sprache der Schweine und grunzte Lieder zum Lobe des Herrn. In der Nacht ihres 27. Geburtstags erschien ihr die Heilige Jungfrau Maria – in Begleitung von zwei Schweinen. Die Schweine strahlten sie an wie fröhliche Kinder und Maria sprach: «Die wahren Worte sind in deinem Herzen, nicht in deinem Mund.»
Als Susanna bei Sonnenaufgang wie gewohnt ihr Morgengebet grunzen wollte, kamen statt der üblichen Schweinelaute eben die Worte aus ihrem Mund, die Maria in der Nacht zuvor gesprochen hatte: «Yo vrè mo sé dan kè, pa dan bouch.» Nach zehn Jahren verliess Susanna erstmals die Insel, suchte ihre völlig vergrämten Eltern auf, verzieh ihrem Vater, kehrte aber noch am selben Tag auf Maioli zurück. Dabei sollen ihr die Schweine aus dem elterlichen Stall von alleine gefolgt sein. An der Stelle, wo ihr Maria mit den Schweinen erschienen war, errichtete sie einen Altar. Bald kamen Menschen, Frauen vor allem, um am Ort der wunderbaren Erscheinung zu beten – manche fühlten sich so berührt, dass sie die Insel nicht mehr verliessen. Das waren die Geburtsstunden des Klosters von Maioli.
First Publication: 21-9-2012
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