Schon Rinderkutteln sind in der Schweiz oft nur schwer zu bekommen, von Kalbskutteln gar nicht zu sprechen – und Lammkutteln sind auf dem heimischen Speiseplan schlicht inexistent. Wer trotzdem mit Lammkutteln kochen will, der bekommt sie bei den meisten türkischen Metzgern für wenig Geld (3 Franken pro Kuttel zu etwa 800 g, im Juli 2013) – in ungeputztem Zustand allerdings, was etwa eine Stunde Arbeit pro Kuttel bedeutet. Unser Metzger an der Josephstrasse in Zürich war denn auch einigermassen erstaunt, als wir die Lammkuttel bei ihm kauften. «Wo du gelernt? In Somalia?» Wir wussten nicht, was wir antworten sollten. Somalia? Warum Somalia? War Somalia ein Paradies für Lammkutteln? Gab es eine somalische Lammkuttel-Tradition, von der wir noch nie etwas gehört hatten? War es schlicht ein Witz? Oder war es ein Hinweis darauf, dass viele Schlachtabfälle aus Europa nach Afrika verkauft werden, wo sie – als subventionierte Produkte – die heimischen Märkte ruinieren? Unsere Kuttel würde ein solche Schuld jedenfalls nicht auf sich laden – soviel stand fest.
Eine Lammkuttel ist in unserer schweizerischen Plätzchen-Kultur ein eher ungewohnter Anblick – insbesondere wenn sie noch ungereinigt und unblanchiert vor uns auf dem Küchenmarmor liegt: ein dunkles Stück Fleisch, das auf der Aussenseite glitschig und grünlich aussieht, auf der Innenseite wie ein nasses und schmutziges Fell. Die Kuttel riecht ziemlich streng – aber nicht nur schlecht: nach Gras und ein wenig nach alter Reistasche, nach Stall und auch nach Rauch. Der Duft dieses rohen Pansens hängt auch nach dem Putzen der Kuttel noch für Stunden in Küche und Wohnung nach.
Wir sind keine Experten in Sachen Kuttelreinigung - wir geben hier einfach unsere Erfahrungen wieder. Ob wir es richtig machen – oder falsch, das wissen wir nicht. Wir haben weder in den uns zur Verfügung stehenden Fleischbüchern, noch auf dem Internet brauchbare Hinweise darauf gefunden, wie eine Lammkuttel richtig gereinigt wird. Aber unser Vorgehen führt zu einer Kuttel, die sich gut verkochen lässt. Sie schmeckt hocharomatisch, hat eine gute Konsistenz und hat fügt niemandem einen Schaden zu – auch unseren Gästen nicht. Wir empfinden das Reinigen und Verarbeiten der Kuttel sehr stark als einen Akt der Transformation, der aus etwas Rohem und Wildem etwas Gekochtes und Essbares macht, in dem aber das Wilde noch durchaus zu schmecken ist.
Beim Putzen einer Lammkuttel gehen wir folgendermassen vor. Zunächst spülen wir die Kuttel unter kaltem Wasser ab und nehmen uns dann zuerst die glatte Aussenseite vor. Wir schneiden das Fett weg, das da und dort in kleinen Klumpen sitzt. Auch alles, was nach Adern oder sehnigen Partien aussieht, schneiden oder zerren wir nach Möglichkeit weg. Auf der Aussenseite sitzt auch eine feine, transparente Haut, die sich leicht abziehen lässt – mit ihr kommt einiges an Adern etc. mit. Zur besseren Handhabung zerlegen wir die Kuttel in 2 bis 3 Stücke. Nun bringen wir einen grossen Topf mit Wasser zum Kochen und geben die Kuttel für 3 bis 5 Minuten hinein. Mit einer Pinzette greifen wir sie aus dem heissen Wasser und schrecken sie unter kaltem Wasser ab. Jetzt riecht die Kuttel nach Milch und immer noch ein wenig nach Stall. Nun kommt die pelzige oder zellige Innenseite an die Reihe. Mit Hilfe eines grossen Messer streichen wir kräftig über dieses Fell, dabei löst sich eine Art bräunlich-gräulicher Schlamm, an einzelnen Stellen auch in Form einer feinen Haut. Wir schaben bis sich nicht mehr abschaben lässt und wässern die Kuttel zwischendurch. Nun bringen wir nochmals einen Topf mit frischem Wasser zum Kochen und blanchieren die Kuttel erneut für drei bis 5 Minuten, schrecken sie dann noch einmal unter kaltem Wasser ab (das macht sie fühlbar geschmeidiger, warum auch immer). Jetzt riecht die Kuttel wie ein frisch ausgefegter Stall. Bevor sie verzehrt werden kann, muss sie allerdings noch wenigstens vier, besser sechs Stunden gekocht oder geschmort werden.
PS: Ein Jahr nach unserer ersten Reinigung einer Lammkuttel haben wir – zusammen mit diversen anderen Innereien – etwa zwanzig Kilogramm tiefgefrorene Kutteln von Bio-Lämmern aus dem Wallis geholt. Die Kutteln waren indes nur teilweise gereinigt und ohne Vakuumierung eingefroren. Wir haben etwas sechs (insgesamt sogar acht) Stunden Zeit investiert, wenigstens einen Teil der Pansen so weit zu reinigen, dass wir sie auch kochen konnten. Einige Partien liessen sich mit unseren Mitteln nicht säubern, andere waren so dünn oder zerrissen, dass wir sie nicht verwenden konnten. Etwa ein Drittel der Kutteln mussten wir entsorgen. Lammkutteln sind ein Problem – offenbar sind unsere Metzger nicht in der Lage, sie in einen küchenfertigen Zustand zu bringen.
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Ein Jahr nach unserer ersten Reinigung einer Lammkuttel haben wir – zusammen mit diversen anderen Innereien – etwa zwanzig Kilogramm tiefgefrorene Kutteln von Bio-Lämmern aus dem Wallis geholt. Die Kutteln waren indes nur teilweise gereinigt und ohne Vakuumierung eingefroren. Wir haben etwas sechs (insgesamt sogar acht) Stunden Zeit investiert, wenigstens einen Teil der Pansen so weit zu reinigen, dass wir sie auch kochen konnten. Einige Partien liessen sich mit unseren Mitteln nicht säubern, andere waren so dünn oder zerrissen, dass wir sie nicht verwenden konnten. Etwa ein Drittel der Kutteln mussten wir entsorgen.
Lammkutteln sind ein Problem – offenbar sind unsere Metzger nicht in der Lage, sie in einen küchenfertigen Zustand zu bringen. Auch in anderen Ländern scheint die Situation kaum besser, wie etwa die Beschreibung auf dem Blog von Anissa Helou zeigt, der Verfasserin des wunderbaren Kochbuchs «Offal». Schade – denn so wird es wohl nicht allzu viele Köche geben, die sich für Rezepte mit Lammpansen begeistern lassen.
First Publication: 17-7-2013
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