Geschichte. Die Gurke soll ursprünglich aus Indien stammen und eine Züchtung der in Nordindien verbreiteten, sehr bitteren Wildgurke Cucumis hardwickii sein. In der griechischen und römischen Antike war die Gurke im ganzen Mittelmeerraum verbreitet, wobei manche Autoren zweifeln, dass mit dem in der Literatur wiederholt vorkommenden griechischen Wort siküos oder der römischen cucumis auch tatsächlich Gurke gemeint ist (zum Beispiel Udelgard Körber-Grohne: «Nutzpflanzen in Deutschland», S. 304). Laut Brigitte Bartha-Pichler («Haferwurzel & Feuerbohne», S. 26) erreichten Gurken, wie wir sie kennen, erst im frühen Mittelalter Europa – Slawische Völker aus dem Osten sollen sie von Byzanz her mitgebracht haben. Und erst im 16. und 17. Jahrhundert sollen Gurken auch bis nach Deutschland und Holland gelangt sein.
Name. Der deutsche Name «Gurke» soll seinen Ursprung im Altpolnischen ogurek haben, das wiederum vom Altgriechischen αγούρος («unreif») abstammen soll – ein Hinweis auf die grüne, unreif wirkende Farbe der Frucht. Das Französische concombre und das Englische cucumber hingegen leiten sich vom Lateinischen cucumis ab.
Pflanze. Die Gurke (Cucumis sativus; engl. cucumber, gherkin; franz. cocombre, cornichon; span. pepino; ital. cetriolo) ist eine einjährige Pflanze aus der Familie der Cucurbitaceae (Kürbisgewächse) , die kletternd oder liegend bis zu drei oder vier Meter lang wächst. Die Pflanze hat fleischige, raue Stängel und gestielte, ebenfalls raue, am Grunde herzförmige oder handförmige Blätter. Ihre Blüten sind gelb, mit fünfteiliger Blumenkrone, meist klein und stehen einzeln oder gebüschelt. In Mitteleuropa blühen Gurken von Juni bis August und werden durch Insekten bestäubt. Die Früchte sind gross, fleischig-saftig mit eiförmigen, scharfrandigen Samen. Die Früchte werden unreif geerntet. Unter allen Kürbisgewächsen haben Gurken die höchste Kältetoleranz und können auch noch in Nordeuropa angebaut werden.
Sorten. Man kann grundsätzlich zwei Gruppen von Gurken unterscheiden – abhängig von ihrer jeweiligen Nutzung: Salatgurke und Einlegegurke. Die Salatgurke gehört zu den wirtschaftlich bedeutendsten Gemüsearten. Pro Jahr werden mehr als 40 Millionen Tonnen geerntet. Vor allem in den nördlichen Ländern wachsen Salatgurken oft in Gewächshäusern, wo sie drei bis fünf Mal pro Jahr geerntet werden können – ihre Schalen sind dann besonders dünn und sie haben kaum Stacheln. Meist kommen diese Gurken mit einem Gewicht von 300 bis 500 g in den Handel. Werden Salatgurken im Freien angebaut haben sie in der Regel eine dickere und stärker mit Stacheln und Warzen versehene Haut – sie werden wohl deshalb auch als «Schälgurken» bezeichnet. Einlegegurken werden im Unterschied zu Salatgurken meist im Freien angebaut. Freilandgurken erkennt man an dem helleren Fleck auf der Seite – an dieser Stelle lag sie auf dem Boden auf. Besonders klein geerntete Einlegegurken nennt man Cornichons.
In Europa werden Salatgurken meist roh verzehrt. In Asien indes werden sie auch oft geschmort. Gurken haben, da sie zu rund 97 % aus Wasser bestehen, nur einen sehr geringen Nährwert (rund 20 kcal pro 100 g). Da sie meist unreif geerntet und gegessen werden, können sie leicht Aufstossen und Blähungen verursachen. Das wusste schon Plinius (19. Buch, 5. Kapitel) als er schrieb: «Wann sie gegessen sind, melden sie sich noch den andern Tag im Magen, und können unter andere Speise nicht zergehen, sind doch insgeheim nicht ungesund.» Einglegegurken werden durch Milchsäuregärung zu Salzgurken verarbeitet oder mit Essigsud eingekocht und dann als Gewürzgurken bezeichnet (ein Rezept findet sich hier).
Gurken schlagen. Chinesische Köche haben die Angewohnheit, Gurken vor ihrer Zubereitung mehrmals heftig auf den Küchentisch zu schlagen. Fragt man sie nach dem Grund, so versichern sie, dass dies den Geschmack der Gurke verbessere. Wir haben uns gefragt, was bei der Gemüseprügelei eigentlich passiert und sind durch Experimente zum folgenden (provisorischen) Schluss gekommen: Das Schlagen der Gurke bewirkt offenbar, dass ein Teil des im Gurkenkörper reichlich vorhandenen Wassers aus dem Fruchtfleisch in den Innenraum gepresst wird, wo die Samen liegen (die man ja in den meisten Rezepten entfernt). Das lässt sich sowohl visuell wie auch geschmacklich erkennen: Stücke von geschlagener Gurke sehen weisslicher und poröser aus, und sie schmecken auch etwas trockener als die ungeprügelten Partien.
Gurken ausquetschen. Es gibt auch Rezepte, in denen empfohlen wird, vor der Verarbeitung zum Salat so viel Wasser wie möglich aus den Gurken zu quetschen. Dazu meinen Robert Habs und Leopold Rosner in ihrem «Appetit-Lexikon» (S. 186) schon 1894 folgendes: «Wer freilich der üblen Gewohnheit huldigt, die Gurkenscheiben vor der Ölung ‹gehörig auszudrücken›, um den Saft zu entfernen, der könnte statt eines Paares Gurken ebensogut ein par Glacéhandschuhe zu diesem Salat nehmen – dem Magen würde das vollkommen gleich sein.»
In Polen, wo ich herkomme, haben Gurken einen für Schweizer kaum nachvollziehbar höheren Stellenwert. Einmal haben saure Dillgurken und Kartoffeln gar manchem armen Schlucker über die kargen Frühlingsmonate bis zur nächsten Ernte das Überleben ermöglicht. Dabei wurde aber, wie so oft, die Not zur Tugend. Es wurde die gegorene schwachgesalzene Dillgurke erfunden, ganz ohne Essig (!) sauer nur durch die im eigenen im Gärprozess entstandenen Milchsäure! Eine Köstlichkeit, die sich in der Schweiz wegen des allzu sterilen und chemisch behandelten Trinkwassers nicht herstellen lässt, weil die dazu benötigten Milchsäurebakterien nicht entstehen können (alle unsere Versuche einen Gärprozess anzukurbeln, scheiterten eben an diesem allzu hygienischen Wasser). Statt zu säuern, fangen die Gurken in der Schweiz an zu faulen. Die sauren Dillgurken sind derart schmackhaft, dass sie mit der Zeit auch auf den vornehmsten und feinsten Herrschaftstischen in Polen und anderen Ländern Osteuropas serviert wurden.
Schon vor 68 Jahren warb der in Polen äusserst beliebte Lyriker Konstanty Ildefons Gałczyński (1905-1953) um mehr Verständnis für die Gurke – und schrieb kurz nach dem Krieg das Gedicht «Warum die Gurke nicht singt?». Hier meine Übersetzung seiner Zeilen.
Warum die Gurke nicht singt
(aus einem nicht beendeten Ganzen unter dem Titel «Erbarmen»)
Die im Titel
so kühn gestellte Frage,
sollte, sogar unter grössten Schmerzen
gelöst werden.
Denn wenn die Gurke nicht singt,
und dies zu keiner Zeit,
so ist es wahrscheinlich
des Himmels Wille.
Doch wenn sie danach dürstet? Herzinniglich!
Wie niemand bisher. Wie eine Lerche.
Wenn sie bei Nacht im Glase
ihre grünen Tränen vergiesst?
Es vergehen Jahre, Winter,
mal die liebe Sonne, mal ein Wölkchen;
wir aber gehen gleichgültig
an gar mancher Gurke vorbei.
1946
First Publication: 12-10-2009
Modifications: 3-10-2011, 5-8-2014