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Unsere Trippa alla milanese hat ein dezenten Kuttelaroma und eine leichte Weinsäure. Der Salbei steuert etwas ätherische Würze bei. (Zürich, Februar 2015)

Trippa alla milanese

Kutteln vom Rind mit Saubohnen in Ochsenschwanz-Brühe – ein Rezept zu Peter Polters Episoda 150221 Gallarate Mercato settimanale

Die Trippa alla milanese, auch Trippa in umido oder Busecca genannt, kennt verschiedene Erscheinungsformen – mal wird sie als Suppe aufgetischt, mal stärker eingekocht als Eintopf gereicht. Auf jeden Fall handelt es sich um eine berühmte und altehrwürdige Speise der lombardischen Küche. Pellegrino Artusi («La Scienza in cucina», Kapitel Umidi) gibt zwar kein Rezept dafür wieder, lobt aber die Köche von Mailand, sie hätten einen Weg gefunden, die Kuttel zart und leicht zu machen.

Es gibt verschiedene Rezepte, wir haben uns von einer Trippa alla milanese inspirieren lassen, wie sie die «Osteria dei Peccatori» in Gallarate serviert – ein stimmungsvolles Lokal am Corso Colombo, wo man auch schöne Dinge wie Risotto mit Schnecken essen kann, Esel-Ragout oder ein altes Rezept mit kleingeschnittenem Rindfleisch in Rotwein, das den Namen «Brüscitt bustocchi» trägt.

Unsere Busecca ist eine gelatinöse, fast schon klebrige Suppe mit einem dezenten Kuttelaroma. Sie schmeckt erdig und hat eine leichte Weinsäure. Der Salbei steuert eine feine, ätherische Würze bei. Die Bohnen haben noch etwas Biss und kontrastieren so die schlabbrige Konsistenz der Kutteln. Das Fleisch vom Ochsenschwanz ist zart und feucht. Die Suppe hat etwas Reines, was auch damit zusammenhängt, dass wir auf die Zugabe von Knoblauch, Olivenöl, Pfeffer und Chili verzichten, die heute fast reflexartig in jedes italienische Gericht wandern (ebenso auf Tomaten, siehe weiter unten). Man sollte auch der Versuchung widerstehen, die Suppe mit Zitrone abzuschmecken – sie verliert dabei viel Charakter und wird etwas banal. Unserer Meinung nach braucht es auch keinen Parmesan dazu – obwohl in den meisten Rezepten Dinge stehen wie «ausgiebig mit Parmesan bestreuen». Parmesan steuert ja nicht nur Salz und sein spezielles Käsearoma bei, sondern verleiht einer Suppe auch mehr Körper. Hat man die Kutteln mit einer gewöhnlichen Brühe gekocht, dann kann sie eine solche Hilfe durchaus nötig haben – unser Rezept aber führt zu einer Suppe, die solcher Unterstützung nicht bedarf.

Die drei Protagonisten dieses Rezepts sind Kutteln, Saubohnen und Brühe. Diesen drei Zutaten ist gemein, dass sie mehrere Stunden lang gekocht werden müssen. Am längsten natürlich die Kutteln, theoretisch zumindest, denn heute werden sie meist in mehr oder weniger stark vorgegarter Form verkauft und brauchen durchschnittlich ‹nur› noch etwa zwei Stunden auf dem Herd. Die Saubohnen heissen in Italien Fagioli di Spagna und gehören zu den mächtigsten Samen am Hülsefrüchte-Himmel. Nach einer Einweichzeit von 12 Stunden müssen sie weitere 1.5 Stunden gekocht werden. Bei der Brühe hängt die Kochzeit von der Art des Fleisches ab, das man verwendet. Dem Kochbuch «La cusinna de Milan» (S. 10) von Martino Vaona folgend (oder vielleicht auch, es leicht missverstehend) kochen wir die Brühe aus Ochsenschwanz. Dieser muss, zumindest wenn man das Fleisch ebenfalls essen will, etwa vier Stunden lang gekocht werden. Das sind sehr unterschiedliche Kochzeiten, was die Sache ein wenig kompliziert. Natürlich kann man es sich auch einfach machen und die Busecca mit industrieller Fleischbrühe und Bohnen aus der Dose kochen. Doch das Einfache ist nicht immer das Bessere und schon gar nicht das Vergnüglichere. Wir haben uns ja auch von einer Busecsa in einem Slow Food Lokal inspirieren lassen und dürfen annehmen, dass auch dessen Köche nicht unbedingt den Weg des geringsten Widerstands gewählt haben. Sollten Sie sich für den schmählichen Weg von «Maggi»-Würfel und Dosen-Bohnen entscheiden, dann sollten sie die Hülsenfrüchte erst gegen Ende der Kochzeit zum Fleisch geben – denn sie werden meist in fertig gegartem Zustand verkauft. Viele Rezepte kochen die Bohnen separat und geben sie erst kurz vor Ende der Kochzeit zu den Kutteln – auch das scheint uns wenig attraktiv, wachsen die Aromen doch durch das gemeinsame Kochen in einem Topf erst richtig zusammen. Mit was für einer Brühe die Kuttelsuppe im «Peccatori» zubereitet wird, wissen wir nicht. Die Buseca kommt jedenfalls ohne Ochsenschlepp auf den Tisch. Wir nehmen uns aber die Freiheit, sie mit dem schönen Knochen zu servieren – denn dessen Fleisch schmeckt ausgezeichnet und er gibt dem Eintopf visuell ein wenig Struktur.

Im Unterschied zu den meisten Buseca-Rezepten kochen wir die Kutteln ganz ohne Tomaten. Hierfür haben wir drei Gründe: Erstens schienen uns auch die Kutteln im «Peccatori» ohne Tomate zubereitet. Zweitens handelt es sich um ein sehr altes Rezept, das bestimmt bis in die Zeit vor Ankunft der Tomate zurückreicht. Und drittens gibt es schon viel zu viele Rezepte, die Kutteln mit Tomaten anrühren.

Das Rezept braucht ein wenig Vorbereitung und einige Zeit auf dem Herd – ist aber im Grunde sehr einfach zu bereiten. Schwieriger dürfte es sein, sich die Zutaten zu besorgen. In der Schweiz kann man bei der «Migros» sein Glück versuchen, ev. auch bei «Coop». Sicher können auch die meisten Metzger die Zutaten auf Bestellung organisieren – egal ob man ihnen nun vertraut oder nicht.

In italienischen Kochbüchern liest man gelegentlich, die Trippa alla milanese werde mit Kutteln vom Kalb zubereitet – ganz im Unterschied zu Kuttelgerichten aus dem Süden, die mit Rinder-Kutteln zubereitet würden. Ob es sich dabei um mehr handelt als um eine kleine Stichelei des feinsinnigen Nordens gegen den barbarischen Süden, braucht uns hier nicht zu beschäftigen: In der Schweiz darf man sich glücklich schätzen, wenn man überhaupt Kutteln bekommt – ob sie von einem Jungtier stammen oder von einer alten Kuh, wissen wohl nur die Fleischer.

Einweichzeit 12 Stunden
Kochzeit gut 4 Stunden

Zutaten (für 4 Personen)

100 g Saubohnen, getrocknet

1 EL Butterschmalz für das Anbraten des Fleisches

400 g Ochsenschwanz, nach Möglichkeit in wenigstens vier etwa gleich grossen, also nicht zu mächtigen Stücken

2 TL Salz für das Bestreuen des Ochsenschwanzes

½ Liter Weisswein für den Ochsenschwanzsud

1 Zwiebel mit Schale, gespickt mit 2 Lorbeerblättern und vier Gewürznelken

1 Stück Butter von 15 g für das Soffritto

50 g Pancetta (Speck) in dünnen Scheiben, halbiert und in Streifen geschnitten – wer es etwas magerer mag, verwendet Coppa

1 Zwiebel (100 g), fein gehackt

2 Stangen Sellerie (100 g), der Länge nach halbiert, in feinen Scheiben

1 nicht zu kleine Karotte (100g), geschält, der Länge nach halbiert in 3 bis 4 mm dicken Stücken

20 Blätter Salbei (4 g)

½ L Weisswein für das Ablöschen des Soffritto

600 g Kutteln, vorgegart, in Streifen

2 TL Salz für die Suppe

Salz zum Abschmecken

ev. Parmesan

Zubereitung

  1. Die Bohnen abspülen, in eine Schüssel geben und mit ½ Liter kochendem Wasser übergiessen. 12 Stunden quellen lassen.
  2. Den Schmalz in einer grossen Bratpfanne erhitzen, die wenigstens 2 Liter Flüssigkeit fassen kann. Den Ochsenschwanz mit Salz bestreuen und auf allen Seiten gut anbraten – etwa 10 Minuten insgesamt.
  3. Weisswein und 1.5 Liter Wasser angiessen, Satz vom Boden loskratzen, die gespickte Zwiebel beigeben. Aufkochen lassen, Hitze etwas reduzieren, Deckel so aufsetzen, dass nur ein kleiner Spalt offen bleibt. 2 Stunden sanft brodeln lassen, Stücke gelegentlich wenden. Es sollte am Schluss noch 6 dl Flüssigkeit zur Verfügung stehen. Die gesteckte Zwiebel entfernen.
    Die Knochen sollten, wenn sie nicht zu gross sind, während der ersten Stunde nach Möglichkeit stets ganz mit Flüssigkeit bedeckt sein. Ist dies nicht der Fall, muss zusätzlich Wasser angegossen werden.
    Hat man sehr kleine Ochsenschwanzstücke bekommen, kann man die Kochzeit um etwa ½ Stunde reduzieren.
  4. Die eingeweichten Bohnen abgiessen. Mit ½ Liter Wasser kalt aufsetzen, zum Kochen bringen, 15 Minuten kochen lassen, Schaum abschöpfen. Topf vom Herd nehmen.
  5. Die Butter in einem schweren Topf sanft erwärmen, sie sollte nicht braun werden. Pancetta ein wenig auseinander zupfen und in der Butter anrösten bis sie eine etwas bleichere Farbe angenommen hat – etwa 5 Minuten.
  6. Zwiebel dazuzugeben und glasig werden lassen. Sellerie, Karotte und Salbei beigeben, alles vermischen und kurz anziehen lassen. Weisswein angiessen, aufkochen lassen und sobald es nicht mehr nach Alkohol riecht (nach etwa 3 bis 5 Minuten), den Ochsenschwanz mitsamt dem Sud beigeben, dann die Kutteln und die Bohnen mitsamt dem Kochwasser einrühren. Aufkochen lassen, 10 Minuten recht lebendig brodeln lassen, Hitze reduzieren, Deckel aufsetzen und zwei Stunden köcheln lassen, gelegentlich rühren.
    Wie bei vielen Schmorgerichten hängt vieles vom Topf ab, den man verwendet. In einem schweren Topf mit einem Deckel, der das Kondenswasser wieder in das Gargut zurückführt, kann das Fleisch stundenlang vor sich hin köcheln – dabei bleibt die Menge der Flüssigkeit mehr oder weniger konstant. Besitzt man keinen solchen Topf, dann muss man vermutlich immer wieder Flüssigkeit angiessen.
  7. Deckel abheben, die Suppe sollte im Verlauf der Kochzeit nur wenig Flüssigkeit verloren haben. 2 TL Salz beigeben und eine Minuten lang sorgfältig einrühren. Kosten und ev. nochmals mit Salz abschmecken.
    Wer die Trippa etwas weniger flüssiger essen möchte, kann den Deckel schon etwa eine Viertelstunde vor Ende der Kochzeit abheben – oder die Suppe nach Ablauf der zwei Stunden noch ein paar Minuten länger ohne Deckel brodeln lassen bis die gewünschte Konsistenz erreicht ist.
  8. Wer mag, kann die Suppe bei Tisch mit etwas geriebenem Parmesan bestreuen (uns schmeckt sie besser ohne).

Variante

Die Zutaten lassen sich variieren, je nach Anzahl der Tischgenossen, die man erwartet. Für vier Personen haben wir zum Beispiel erfolgreich wie folgt portioniert: nur 1.2 kg Kutteln, nur 3 grosse Karotten, nur 3 Zwiebeln, nur 650 g Kalbsfüsse, nur 4 dl Cidre und nur 4 dl Hühnerbrühe - die übrigen Zutaten blieben sich gleich.

Die Saubohnen heissen auf Italienisch Fagioli di Spagna. Die grossen Samen müssen einige Stunden eingeweicht und dann relativ lange gekocht werden. In der Suppe mit den Kutteln und dem Ochsenschwanz brauchen sie sogar noch etwas länger als wenn sie einfach in Wasser garen würden. (Zürich, Februar 2015)
Vor allem für die Präsentation der Suppe ist es hübscher, wenn die Ochsenschwanzstücke eher klein sind. Kleine Stücke haben allerdings auch eine etwas kürzere Kochzeit – das Fleisch fällt je nachdem ganz vom Knochen und es kann sogar sein, dass sich die Bandscheiben von den Wirbeln lösen.
Wir braten die Ochsenschwanzstücke in einem Wok mit Antihaftbeschichtung an, der gut 2 Liter Flüssigkeit fassen kann.
Die ersten zwei Stunden kocht der Ochsenschwanz in einem nicht völlig geschlossenen Topf. Die Flüssigkeit sollte leicht brodeln, aber nicht heftig kochen – und wird so auf ein gutes Viertel reduziert.
Die Busecca zu Beginn der Kochzeit. Topf und Deckel müssen so beschaffen sein, dass die Suppe fast ohne Flüssigkeitsverlust zwei Stunden lang sanft brodeln kann.
Nach zwei Stunden sollten bloss etwa 10% der Flüssigkeit verdampft sein. Wer statt einer Suppe eher einen Eintopf möchte, der lässt die Busecca noch ein paar Minuten ohne Deckel brodeln bis die gewünschte Konsistenz erreicht ist.
Das Rezept auf dieser Seite führt zu einer sehr gehaltvollen Busecca. Die Suppe ist gelatinös, fast schon klebrig und hat ein dezentes Kuttelaroma. Das Stück Ochsenschwanz entspricht zwar nicht der reinen Lehre – ist aber eine feine Bereicherung und ‹erklärt› dem Speisenden nebenbei auch die Beschaffenheit der Flüssigkeit.
In der «Osteria dei Peccatori» in Gallarate wird die Trippa alla milanese eher als ein feuchtes Ragout serviert – ohne Ochsenschwanz. (Februar 2015)
Der Ochsenschwanz sondert enorm viel Gelatine ab, was sich vor allem eindrücklich zeigt, wenn die Suppe einmal erkaltet ist. Man kann den Topf dann senkrecht stellen – die Suppenmasse bewegt sich nicht. (Zürich, Februar 2015)

First Publication: 26-2-2015

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