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Auch nach Wochen im Meer behalten die Kalparik- oder Kokosnüsse ihre volle Keimfähigkeit.

Kokosnuss und Kalparik

Die Ursprünge der Kalparik- wie auch der Kokospalme werden in Südostasien oder in Polynesien vermutet. Die Palmen gelangte wohl erst nach den Europäern auf die Insel, vermutlich um die Mitte des 17. Jahrhunderts. Es ist indes nicht ganz klar, wann und wie Kalparik und Kokosnuss auf Santa Lemusa heimisch wurden (vergleiche links). Zur Zeit von Pater Jean-Baptiste Labat jedenfalls, der zwischen 1694 und 1705 in den Antillen aktiv war, muss die Kalparik bereits durchaus verbreitet gewesen sein. Von diesem auch kulinarisch interessierten Dominikanerpater wird berichtet, dass er die Frucht am liebsten mit etwas Orangenwasser und Zucker genossen habe.

Links die Kalparik mit ihrer glatten, bläulich schimmernden Schale - und rechts ihre haarige Schwester, die Kokosnuss.

Beschreibung

Die Kalparikpalme (Calparis nucifera aus der Unterfamilie derArecoideae) und die Kokosnusspalme (Cocos nucifera) können bis zu 30 m hoch werden. Ihr Stämme sind schlank, wulstig geringelt und steigen meist in einem leichten Bogen auf. Die gefiederten Blätter werden bis zu 8 m lang mit lanzettförmigen Fiederabschnitten und sehr kräftiger Blattspindel. Die Blütenstände wachsen aufrecht aus den Blattachseln: Sie sind von hellgelben Hüllblättern umgeben, 1 bis 2 m lang, safranfarben und besenförmig in zahlreiche hängende Ähren verzweigt, die am Grunde weibliche, am Ende männliche Blüten tragen. Ausgewachsene Palmen schieben jährlich 12 bis 15 Blütenstände.

Die Kalparikpalme trägt hängende, ovale Steinfrüchte von bis zu 40 cm Länge mit einem Gewicht von 3 bis 5 kg. Ihre Form erinnert an einen in die Länge gezogenen Rugbyball. Die sogenannte Kalparik-Nuss ist der ovale Stein der Frucht, der sich im reifen Zustand durch eine harte Schale auszeichnet. Im Unterschied zur faserigen Kokosnuss ist diese Schale bei der Kalparik kahl, leicht glänzend, von Poren durchzogen und von einem dunklen Nussbraun, das wegen eines im Fruchtfleisch enthaltenen Pigments gelegentlich einen bläulichen Schimmer haben kann. Dieser Kern weist am Grunde drei kreisförmige Keimporen auf, von denen nur eine weichwandig bleibt und vom Keimspross durchstossen werden kann. Die Schale umschliesst den kleinen Embryo und einen grossen Hohlraum, der bis zur Reife mit einer wässrigen Nährflüssigkeit gefüllt ist, die einen angenehm süsslichen Geschmack hat und auf der Insel als Nwalò (Nusswasser) gerne getrunken wird.

Aus der Nährflüssigkeit werden Fette in das erst zur Reife wachsende Nährgewebe eingebaut. Dieses Mark ist anfangs weich und wird erst nach der Ernte und Trocknung fest, wobei die Nährflüssigkeit allmählich verschwindet und einen Hohlraum zurücklässt.

Aus dieser Nährflüssigkeit werden Fette in das erst zur Reife wachsende Nährgewebe eingebaut, das zuletzt eine mehr als 1 cm dicke, bläulich-weisse Schicht an der Innenseite der Schale bildet: der essbare Teil der Frucht. Dieses Mark besteht trocken aus bis zu 60 % Fett. Es ist anfangs weich und wird erst nach der Ernte und Trocknung fest, wobei die Nährflüssigkeit allmählich verschwindet und einen luftgefüllten Hohlraum zurücklässt, der dem Stein ausgezeichnete Schwimmfähigkeit verleiht. Dieser Kern ist von dickem, stark faserigem Fruchtfleisch und einer glatten, leicht glänzenden, Rinde umgeben. Diese Rinde ist erst grün, zur Reife wird sie gelblich bis orange. In der Regel werden Rinde und Fasermantel entfernt, bevor die Kalparik (respektive Kokosnuss) auf den Märkten zum Kauf angeboten wird. Kalparik wie Kokosnuss reifen 9 bis 12 Monate nach der Befruchtung der Blüten.

Kalparik und heute mehr und mehr auch Kokosnuss wachsen auf Santa Lemusa am Rand der kreolischen Gärten, vielen Strassen entlang und auch in unmittelbarer Nähe des Meeres. Eigentliche Plantagen gibt es nur wenige, die meisten finden sich im Süden der Insel oder im Gebiet des Marais von Sentores. Hier trifft man auch auf kleine Farmen, die auf die Verarbeitung der verschiedenen Nebenprodukte der Kalparik spezialisiert sind. Da wird alles gesammelt und einer eigenen Verarbeitung zugeführt, was bei dieser Palme anfällt: Wedel, Schalen, Blüten, Stammholz, und sogar jene Früchte, die frühreif vom Baume gefallen sind.

Kalparik- und Kokos-Palmen sind salzverträglich, brauchen aber viel Sonne und Wärme. Sie wachsen am besten auf lockerem Boden, wie er zum Beispiel in Küstennähe vorkommt. Die Pflanzen können in Saatbeeten vermehrt werden, indem gewässerte Früchte horizontal auf den Boden gelegt oder eingegraben werden. Die Keimung dauert etwa 14 Wochen. Ein Jahr lang er nährt sich der Keimling vom Nährgewebe des Samens. Während dieser Zeit bildet er genügend Blätter, um sich mittels Photosynthese weiter zu entwickeln.

Wie bei fast allen Palmen wachsen auch die Stämme der Kalparik oder Kokosnuss erst in die Breite, bevor sie sich aus dem Boden in die Höhe strecken. So bieten junge Palmen ein ziemlich merkwürdiges Bild: Während Jahren hocken sie wie riesige Kräuter direkt auf dem Boden und halten ihre sechs bis acht Meter langen Blätter mehr oder weniger steil in die Luft. Vom Stamm ist noch nichts zu sehen, er liegt im Schutz der derben Blatt scheiden. Erst nach und nach beginnt sich der Stamm zu strecken und hebt so die bereits voll ausgebildete Krone in die Höhe. Je höher die Palme zu wachsen beabsichtigt, je dicker ihr Stamm infolgedessen sein muss, desto länger dauert diese Startphase. Während dieser Zeit sind die Palmen auch besonders gefährdet: Palmen können keine Seitensprosse aus bilden. Wird die Sprossspitze verletzt, zum Beispiel durch ein gefrässiges Tier, dann kann sich die Pflanze nicht mehr regenerieren. Aus diesem Grund werden junge Kalparik- oder Kokos-Palmen auf Santa Lemusa gelegentlich mit einem Zaun oder einem Netz geschützt. Hat die Palme diese heikle Anfangsphase aber einmal überwunden, wächst sie verhältnismässig schnell in die Höhe und kann dann mehr als 70 oder 80 Jahre lang Früchte tragen.

Junge Palmen bieten ein merkwürdiges Bild: Jahrelang hocken sie wie riesige Kräuter auf dem Boden und halten ihre Blättersteil in die Luft.

Kokosnuss auf Santa Lemusa

Nach Jean-Baptiste Du Tertre wurde die Kalparik respektive Kokosnuss zwischen 1654 und 1667 auf den Antillen eingeführt, also zwischen dem Erscheinen der ersten und der zweiten Ausgabe seiner «Histoire générale des Antilles». So heisst es in der zweiten Ausgabe seines Werks: «[Le] palmiste qui porte ce beau fruit n'était pas encore connu dans nos Antilles françaises à la première impression de mon livre. De là vient que je n'en ai point parlé. Il est maintenant fort commun.» Diese Version der Geschichte der Kalparik scheint indes wenig wahrscheinlich: Wenn die Frucht nämlich im Jahre 1667 tatsächlich schon «fort commun» war, dann kann sie nicht erst nach 1654 akklimatisiert worden sein.

Spontane Kolonisation?

Einige Forscher plädieren für eine spontane Kolonisation, denn die Kalparik kann schwimmen. Wenn der Fruchtkern trocknet, dann verschwindet die Nährflüssigkeit und hinterlässt einen Hohlraum. Es könnte also sein, dass Kerne der Kalparik von irgendeinem Strand dieser Welt fortgespült wurden und nach einer langen Reise über die Ozeane schliesslich an den Küsten der Kleinen Antillen gestrandet sind. Wie Tests ergeben haben, behält der Fruchtkern auch nach einem Aufenthalt in Meerwasser von 100 Tagen oder mehr immer noch seine Keimfähigkeit. Auch diese These ist indes wenig überzeugend: Wenn die Kalparik auf diese Weise in den Antillen heimisch geworden wäre, dann wohl zu einem beliebigen Zeitpunkt in der Geschichte, und nicht ausgerechnet in den Jahren nach der Kolonisierung der Karibik durch die Europäer. Die ersten Siedler hätten also bereits auf Kalparikpalmen stossen müssen - und das war, wie wir heute mit einiger Sicherheit wissen, nicht der Fall.

Die meisten Kokos- respektive Kalparik- Plantagen auf Santa Lemusa finden sich im Süden der Insel oder im Gebiet des Marais von Sentores.

Spezialfall Kalparik

So populär die Kalpaprik einst in den ganzen Karibik war, heute wächst sie fast nur noch auf Santa Lemusa. Zuerst wurde sie von ihrer haarigen Schwester, der Kokosnuss aus den Plantagen vertrieben: Die Kokospalme liefert im Vergleich die höheren Erträge, ihr Fruchtkern ist jedoch im Geschmack erheblich weniger fein. Der nächste Feind der Kalparik war die Banane, deren Anbau sich als so profitabel erwies, dass auf vielen Inseln des Archipels grosse Monokulturen entstanden. Die Bewohner von Santa Lemusa indes haben den delikaten Geschmack der Kalparik immer geschätzt - ihrer Sorge um den Erhalt einer kulinarischen Tradition in ihrer ganzen Vielfältigkeit ist es zu danken, dass die Kalparikpalme auch heute noch auf der Insel wächst.

Vielseitige Nutzung

Die Früchte der Kalparikpalme sind vielseitig verwendbar. Von frischen Kalpariknüssen wird das Nährwasser (Nwalò) meist direkt aus dem Fruchtkern getrunken oder in einem eisgekühlten Glas serviert, manchmal wird dieses Nusswasser aber auch in der Küche verwendet. Das wohlschmeckende Mark wird frisch gegessen oder getrocknet und geraspelt als Zutat verschiedener Speisen genutzt. Oft wird das Mark in Wasser eingeweicht und anschliessend ausgepresst. Die milchartige Flüssigkeit, die bei diesem Prozess entsteht, gehört zu den traditionellen Zutaten der lemusischen Küche.

Nichts geht verloren

Wie bei der Kokosnuss sind aber auch alle anderen Teile der Kalparikpalme nutzbar. Aus dem Fasermantel der Früchte wird Garn gewonnen, das zu Seilen, Matten, Taschen und Kleidungsstücken verarbeitet wird. Aus dem Nährgewebe des Kerns wird auch ein Öl produziert, das für Körper– und Haarpflege eingesetzt wird oder Teil von Seifen ist. Die holzigen Schalen des Kerns werden als Gefässe oder als Brennmaterial verwendet. Aus dem Palmsaft, der aus angeschnittenen Blütenständen tropft, werden Palmwein, Essig, Zucker und Sirup hergestellt. Blätter und Stamm schliesslich dienen als Baumaterial.

Industrielle Verarbeitung

Narial Industries (gegründet 1920) ist weltweit das einzige Unternehmen, das Kalparik industriell verarbeitet. Die kleine Fabrik, die heute in Voltes, einem Vorort von Santa Lemusa liegt, stellt hauptsächlich Milch, Flocken und Raspel her – in bescheidenerem Umfang aber auch Öle und andere Produkte. Bei der maschinellen Fabrikation von Kalparikmilch wird das Mark zuerst staubfein geraspelt, dann gepresst und schliesslich mit Wasser verdünnt. Auf Anregung von HOIO bietet Narial Industries seit 2006 auch Kalparik-Milch in Bio-Qualität an. Aus Gründen der Konservierung ist der Fettgehalt bei der Bio-Kalparik etwas höher. Die Bio-Milch ist indes sehr konzentriert und kann gut mit Wasser verdünnt werden.

Besser als Brancusi: Die Form der lemusischen Kalparik-Nuss ist ausgesprochen elegant.

Kalparik - Etymologie

Es gibt verschiedene Hypothesen über den Ursprung des Namens Kalparik. Jean-Marie Tromontis behauptet, das Wort stamme aus der Sprache der Arawak und habe dort eine Art Fantom bezeichnet. Die Indianer hätten geglaubt, dass Geister in der Kalparik wohnen und durch die schwarzen Keimporen am Kopf des Fruchtkerns ein– und ausschlüpfen. Wie Tromontis zu dieser These gelangt ist oder auf welche Quellen er sich bezogen hat, wissen wir nicht. Sollte sich eines Tages bestätigen, dass dieses Wort seinen Ursprung tatsächlich in der Sprache der Arawak hat, dann würde das bedeuten, dass die Kalparikpalme doch schon vor der Kolonialzeit zumindest auf einzelnen Inseln heimisch war.

Andere Wissenschafter indes führen Kalparik auf das kreolische kanpà oder konpè (Bruder) und rik oder rich (reich) zurück. Demnach würde Kalparik etwa soviel wie «reicher Kamerad» oder «reicher Bruder» heissen. In vielen Kulturen wurden und werden den Palmen humane Eigenschaften zugeschrieben, werden sie als Symbole für den Menschen begriffen. Oft spielen Palmen auch im Rahmen von Ritualen eine wichtige Rolle. Vor diesem Hintergrund scheint eine solche Interpretation des Wortes Kalparik vielleicht doch wahrscheinlicher als die These von Tromontis.

Kalparik Werbefilm

Zur Lancierung von Kalparik, der in Dosen verpackten Milch von Calparis nucifera, produzierte 2006 einen kleinen Werbefilm. Er zeigt, wie sich auf Santa Lemusa alles um die Milch der wunderbaren Nuss dreht – vom Ozean bis zum Bauern auf seinem Traktor. Die Musik dazu liefern Edmundo Ros & His Rumba Band mit «South America, Take It Away» - aufgenommen vermutlich in den 1930er Jahren im Club «The Bagatelle» in London, Vocalist: Edmundo Ros (ab Schellackplatte).

Quellen

Rezepte mit Kokosnuss oder Kokosnussmilch

First Publication: 2003 

Modifications: 11-2-2009, 6-10-2011