Es eignet dem Lorbeer der Inder ein Moment sanfter Erschöpfung, ein Hauch von Danach, eine gewisse Verschwommenheit auch. Es ist als falle man in die Kissen zurück und schaue sich die Welt durch halb geschlossene Augen an. […] Und am Gaumen ist es [das Indische Lorbeerblatt] wie ein Kaugummi, der seinen Geschmack fast ganz verloren hat – und den man just wegen dieses «Fast» nicht aus dem Mund geben will.
(Deon Godet: «Sprache der Gewürze», S.62)
Die ausführlichsten Angaben zur Geschichte des Indischen Lorbeers finden sich wie so oft bei Gernot Katzer («Picantissimo», S. 86). Nach Katzer wurden die Blätter des Indischen Lorbeerbaums, der wild im südöstlichen Himalaja und den anschliessenden Gebirgen Burmas und Chinas wächst, von den Bewphnern der dort lebenden Bergvölker gesammelt und an den Häfen im Golf von Bengalen verkauft. So gelangten die Blätter via Zwischenhändler bis nach Europa, wo sie als Malabathrum bekannt waren. Im kaiserzeitlichen Rom soll man aus den Blättern ein Parfum hergestellt und auch Saucen damit gewürzt haben (Rezepte bei Apicius, «De re coquinaria»). Bis ins frühe Mittelalter hinein sollen die Blätter nach Europa geliefert worden sein und heissen im Küchenlatein der Zeit offenbar einfach Folia («Blätter»). Mit der Zeit allerdings wurden die – vermutlich eher kostspieligen – Blätter durch den im Mittelmeerraum zu Hauf vorkommenden Echten Lorbeer ersetzt und gerieten mehr und mehr in Vergessenheit: «Selbst ihre botanische Identität war nicht mehr bekannt, bis der Naturforscher und Arzt García de Orta sie im 16. Jahrhundert in Indien neu entdeckte und mit dem antiken Gewürz identifizierte» («Picantissimo», S. 86).
Als Gewürz verwendet man die Blätter eines immergrünen Baumes, der je nach Lage 8 bis 20 m hoch wächst und mit den verschiedenen Zimtarten verwandt ist. Die Blätter haben eine lanzettliche Form, sind ganzrandig und von drei sehr stark hervortretenden Blattnerven durchzogen. Laut Monisha Bharadwaj («Die indische Küche», S. 56) können die Blätter erst geerntet werden wenn die Bäume zehn Jahre alt sind. In einem Jahr pflückt man die von jüngeren Bäumen, im nächsten von älteren. Oft pflückt man kleinere Äste, trocknet sie in der Sonne und bindet sie für den Markt zu bündeln. Die Blätter gelangen meist getrocknet in den Handel und sind dann mattgrün und spröde, oft halb zerkrümelt.
Oft heisst es, der in Europa übliche Lorbeer entspreche der indischen Art und könne stattdessen verwendet werden (zum Beispiel bei Monisha Bharadwaj, «Die indische Küche», S. 56). Diese Ansicht teilen wir nicht. Die Blätter haben einen holzigen und süsslichen Duft, der entfernt an Zimt und ein wenig an Kardamom erinnert. Im Mund dominiert eine leichte, wie weit entfernt wirkende Zimtnote. Den beissenden Geschmack, der ihnen oft nachgesagt wird, konnten wir nicht feststellen.
Indische Lorbeerblätter spielen vor allem in der Moghul-Küche Nordindiens eine wichtige Rolle – namentlich in Biryanis, Schmorgerichten (Kormas) und Klassikern wie Roghan Josh (Lammfleisch, in Joghurt und Gewürzen geschmort). Auch viele Gewürzmischungen Indiens enthalten Lorbeerblätter - namentlich Goda Masala oder manche Versionen von Garam Masala. Oft werden die Blätter vor Verwendung mit oder ohne Öl geröstet.
Familie: Lauraceae (Lorbeergewächse)
Gattung: Cinnamomum
Art: Indisches Lorbeerblatt
Wissenschaftlich: Cinnamomum tamala (Cinnamomum tejpata)
Deutsch: Mutterzimt (?)
Englisch: Indian bay-leaf, malabathrum, malobathrum; malabar leaf
Französisch: laurier des Indes
Hindi: tejapattā
First Publication: 7-1-2011
Modifications: 6-10-2011