Pferdewurst vom Grünen Markt in Almaty – ein fetteckiges Erlebnis zu Peter Polters Episoda 150627 Almaty Green Market
Das Aroma einer Wurst hängt wesentlich vom Verhältnis zwischen Fleisch und Fett in ihrem Innern ab. Die Füllung mancher Würste ist so fein gewolft, dass man das Fett gar nicht mehr sieht. Andere sind deutlich gröber gehackt und präsentieren sich weiss gepunktet, manche gar weiss gefleckt. Die Pferdewurst Kazy wird ganz ohne Fleischwolf hergestellt – hier müssen sich ein Riemen Fleisch und ein Strang Fett den Platz im Dickdarm teilen. Eine Scheibe Kazy sieht denn auch weniger aus wie eine Wurst, denn wie ein Stück dunkelrotes Fleisch, an dem ein grosser Klumpen gelblich-rötlichen Fettes haftet.
Die gekochten und getrockneten (aber offenbar nicht geräucherten) Exemplare, wie wir sie auf dem Grünen Markt in Almaty gekauft haben, stecken in zwei Schichten aus Darm, die man abstreift ehe man die Wurst in dünne Scheiben schneidet. Auch der Duft von Kazy weckt kaum Wurst-Assoziationen – eher denkt man an Corned Beef oder ein mageres Siedfleisch. Im Mund ist das Fleisch trocken, seine Konsistenz erinnert ein wenig an Thunfisch aus der Dose – dann und wann treffen die Zähne auf eine knorpelige Stelle. Das Fett wirkt vom Fleisch isoliert, als hätte man ein Stück Butter auf einen trockenen Schinken geschmiert. Erst beim Kauen kommen die Aromen zusammen. Markant ist eine schwefelige Knoblauchnote, die man indes erst mit der Zeit isolieren kann – sie erinnert nicht an frische Knollen, sondern eher an getrockneten oder eingelegten Knoblauch.
Kazy (қазы) ist wohl die berühmteste Wurst der Kasachen – wird indes auch von den Tartaren, Kirgisen, Usbeken und anderen ethischen Gruppen Zentralasiens gegessen. Auf dem Grünen Markt von Almaty kann man an fast allen Ständen mit Pferde-Fleisch Frauen beobachten, die Kazy herstellen. Erst schneiden sie längliche Teile von Schulter oder Rippe zurecht, dann kommen etwas schmalere Streifen Pferdefett dazu. Diese Stücke werden mit Salz, Pfeffer und Knoblauch gewürzt und dann so auf einer Metallplatte ausgelegt, dass sie ungefähr die Form der künftigen Wurst haben. Nun wird ein gereinigter Dickdarm über das Fleisch gestülpt – und die Masse so gedrückt, dass sie möglichst satt und regelmässig in dem Darm liegt. Die Enden der Wurst werden dann mit einer Schnur oder einem Holzstäbchen verschlossen. Das Resultat ist eine dunkelbraune, weiss gescheckte Wurst von der Dicke eines Unterarms. Manchmal wird noch eine zweite Darmhaut über die erste gestülpt, was die Wurst farblich regelmässiger erscheinen lässt. Die fertige Kazy muss vor dem Verzehr drei bis vier Stunden gesiedet werden. Sie kann aber auch gekocht und getrocknet werden – und wird auf dem Markt auch in dieser Form verkauft.
Kulinarisch besticht Kazy sicher nicht durch ihre Raffinesse – eher ist sie ein primitiver Fleischfettbeutel, das Resultat einer urtümlichen Konservierungsmethode. Aber wenn man Kazy isst, tauchen fast automatisch Bilder von durch die Steppe ziehenden Hirten mit riesigen Pferde-Herden auf. Das ist kitschig, natürlich, aber so sieht der Alltag in Kasachstan tatsächlich immer noch aus.
First Publication: 22-7-2015
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