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Gruppenreise auf Level Seven

Wat Phu Tok (Thailand)
Wat Jetiyakhiri, Level Seven
Samstag, 22. Februar 2014

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Manchmal habe ich den Eindruck, das Erleben sei auf eine sehr enge Art und Weise mit dem Überleben verknüpft. Erstaunlich wäre das nicht, ist das Erleben doch in erster Linie dazu da, uns in die Lage zu versetzen, optimal auf unsere Umstände, auf unsere Umwelt zu reagieren – um nicht verletzt zu werden, um nicht in Gefahr zu geraten, um möglichst gut über die Runden zu kommen. Wenn wir existenziell in Frage gestellt sind, dann kann unser Erleben mitunter sehr feinfaserig werden, sehr genau. Diese Infragestellungen müssen gar nicht direkt Leib und Leben betreffen – es kann ausreichen, dass wir eine schwierige Aufgabe zu bewältigen, zum Beispiel eine Auswahl zu treffen oder einen Text zu schreiben haben.

Wenn wir indes nicht existenziell in Frage gestellt sind, wenn uns also das Überleben einfach gemacht wird, dann fahren wir auch das Erleben herunter, wird unsere Wahrnehmung weniger präzise, stumpfen unsere Sinne ab. Auf einer Gruppenreise zum Beispiel, wenn wir uns einfach fallen lassen können, dann fahren wir unsere Rezeptoren herunter und zugleich unsere Reizschwelle hoch – nun braucht es schon einiges, damit wir überhaupt noch etwas in unserer Umgebung wahrnehmen. Die Art und Weise, wie Reisegruppen gelangweilt durchs Gelände trotten, illustriert das eindrücklich – ein Gelände notabene, das jedem einzelnen Gruppenmitglied, wäre es denn alleine unterwegs, vielleicht sogar Angst machen würde. Indem wir Gruppen bilden, machen wir uns immun gegen die Ansprüche unserer Umgebung. Wer allein eine vielbefahrene Strasse überqueren muss, der nimmt jedes Gefährt wahr, das da unterwegs ist – wer die Strasse aber in einer Gruppe überquert, wird durch sie geschützt und geführt, muss und kann also die ganzen Fahrzeuge gar nicht sehen.

Ich habe bis heute nicht ganz verstanden, was für eine Art von Erleben die Meditation darstellt. Sicher geht es nicht darum, sich auf seine Umgebung zu konzentrieren. Und offenbar ist es auch nicht das Ziel, in sich selbst hinein zu horchen, sich selbst zu spüren – im Gegenteil, es soll um die Erfahrung von Leere gehen. Müssen wir uns Meditation folglich als eine Gruppenreise vorstellen, die man ganz alleine unternimmt?

Etwas mehr als 30 km südöstlich der Stadt Bung Kan ragt ein Sandsteinbrocken aus der völlig flachen, von zahllosen Gummibaumplantagen besetzten Ebene – als habe Gott einen gigantischen Kiesel aus seiner Hosentasche verloren. Rund um den Stein haben kühne Ingenieure und furchtlose Handwerker Treppen, Stiegen und Stege angelegt, die es Besuchern gestatten, den Felsen zu erklimmen oder auch auf halber Höhe zu umrunden – auf hölzernen Konstruktionen, die über dem Abgrund knarren und knirschen. Sieben Ebenen gibt es zu ersteigen – und überall trifft man auf kleine Schreine oder Gùtì (Meditationshäuschen) – denn es leben rund 50 Mönche rund um den Berg. Sie suchen seine Ruhe und Abgeschiedenheit, um besser meditieren zu können. Level Sieben erreicht man nach einer harmlosen Kletterei über ein paar Wurzeln – und findet sich auf einem ziemlich flachen, dicht mit Bambus und Gestrüpp bewachsenen Plateau wieder, ziemlich allein.

Der Stein heisst Wat Phu Tok und wird demnach als Tempel betrachtet. Sein Gründer war der Mönch Ajahn Juan, ein Meditationsmeister von mystischem Ruf. Einige seiner Knochen und persönliche Gegenstände werden am Fuss des Berges in einem Mausoleum aufbewahrt. Ajahn Juan kam 1980 bei einem Flugzeugunfall ums Leben – er war auf dem Weg nach Bangkok, zur Geburtstagsfeier von Königin Sirikit, wie es heisst. Mit ihm sassen weitere Meister und Waldmönche aus dem Nordosten des Landes im selben Flieger. Ajahn Juan soll, so geht die Legende, beim Abschied von seinen Schülern deutlich gemacht haben, dass er von dieser Reise nicht zurückkehren werde. Er ahnte, was geschehen würde – so die allgemeine Auffassung. Oder war ihm einfach die Art von Gruppenreise nicht ganz geheuer?

Siehe auch

  • Ein Rezept zur Episoda: Kao Niao (Gedämpfter Klebreis)
  • Episoda – eine Sendung für Santa Lemusa (Einführung)
  • Biographie von Peter Polter

First Publication: 3-4-2014

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