Suppe aus Hühnermägen mit Estragon, Kartoffeln, grünen Bohnen und Karotten – ein Rezept zu Peter Polters Episoda 131109 Bükk Istállós-kő
Die Gans ist in der ungarischen Landwirtschaft omnipräsent – man sieht kaum einen Hof, zu dem nicht auch ein Gänsestall gehören würde. Und in jedem etwas besseren Restaurant beginnt das Menu fast zwangsläufig mit einem Stück Stopfleber, das gerne mit einem süsslich-sauren Früchtekompott oder einem Tokajer-Gelee serviert wird, und einem nach drei Tagen im Land schon sichtbar an den Hüften und spürbar zum Hals heraus hängt. Da ist es eine willkommene Abwechslung, wenn auch einmal andere Innereien der Gans zu Ehren kommen, wie das im Restaurant «Fehérszarvas Vadásztanya» in Eger geschieht, das in der Zeit vor dem Martins-Tag am 11. November eine ganze Gänse-Spezial-Karte anbietet. Eine schöne Idee, deren Umsetzung aber leider etwas lieblos erfolgt – am Abend des 9. Novembers 2013 auf jeden Fall boten weder der gefüllte Gänsehals (serviert mit Pesto-Tost!), noch die im Ofen getrocknete anstatt gebackene Keule Anlass zu glänzenden Augen. Und auch die Estragon-Suppe mit Gänse-Magen war keine Freude: eine mit viel Sahne ‹verfeinerte› Brühe ohne eigenes Aroma, in der Gemüse aus der Tiefkühltruhe, verkohlte Estragon-Stücke und ein paar viel zu kleine und also für das Aroma ziemlich bedeutungslose Schnipsel von konfiertem Magenfleisch herumschwammen. All dies wurde serviert von einem schwitzenden Kellner, dessen gequälte Freundlichkeit sogar dem überteuerten Bikaver von Gâl Tibor eine säuerliche Note verlieh – und wäre da nicht plötzlich ein Musiker aufgetaucht und hätte auf seinem Synthesizer mit viel Vibrato «A bisserl Herzlichkeit» gespielt, dann würden wir uns an dieser Stelle wohl auch noch über den Käseteller beklagen.
Trotzdem fanden wir die Idee verführerisch, aus dem Magen (ung. gyomor) einer Gans (liba) eine Suppe (leves) zu kochen und sie mit Estragon (tárkonyos) zu würzen. In der Schweiz sind Gänse- oder auch Enten-Mägen allerdings kaum zu bekommen – weder frisch noch als Confit. Aber in den grössten Filialen von Supermarkt-Ketten findet man mit etwas Glück immerhin frische oder wenigstens gefrorene Hühner-Mägen.
Also haben wir das hier vorgestellte Rezept auf Basis von Hühnermägen und Estragon entwickelt – wobei wir getrockneten Estragon verwendet haben, weil sich dessen Aroma während der langen Kochzeit in der Suppe besser entwickelt als das Parfum des frischen Krauts. Unsere Tárkonyos Leves mit Hühnermägen hat ein sehr spezielles Aroma. Die Nase nimmt zunächst einen fast etwas medizinischen, ein bisschen altmodisch wirkenden Duft wahr, bei dem auch eine Ahnung von Lebkuchen mitschwingt. Im Mund bietet die Suppe eine charakteristische Mischung aus dem speziellen Fleischgeschmack der Mägen und dem Estragon, der sich mit der langen Kochzeit verändert, seine etwas aggressiven Seite weitgehend abstreift und dafür Noten von Marzipan entwickelt. Die Kartoffeln sorgen für eine leicht dickliche Konsistenz – das übrigen Gemüse sollte noch etwas knackig sein. Das Magenfleisch hat auch nach der langen Kochzeit immer noch einen gewissen Biss.
Man könnte die Suppe mit Sahne ‹verfeinern› – doch der Rahm nimmt dem Gericht viel von seinem ganz speziellen Aroma und stellt dafür das Gemüse etwas stärker in den Vordergrund. Eher noch kann man einen kleinen Tropfen Zitronen in die Suppe geben, wobei auch die eine leichte Verwässerung des Kerngeschmacks bewirkt.
Kochzeit 90 Minuten
300 g Hühnermägen
1 grössere Zwiebel (ca. 100 g), fein gehackt
2 EL Rapsöl
250 g Kartoffeln, mürbe Sorte, geschält und fein gehackt
1½ L gesalzene Hühnerbrühe
2 EL getrockneter Estragon
100 g grüne Gartenbohnen, geputzt, in knapp 1 cm langen Rädchen
100 g Karotte, geschält, in erbsgrossen Stücken
First Publication: 16-11-2013
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