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Das Aroma des Brasato als Barolo wird vom Nebbiolo-Wein und von den teils exotischen Gewürzen bestimmt, mit denen er geschmort wird. Es ist ein für die Traditionen der Region eher ungewöhnliches Gericht – und gleichwohl ein Klassiker der piemontesischen Küche. (Zürich, Oktober 2013)

Brasato al Barolo

Schulter vom Rind, geschmort in Nebbiolo-Wein mit Karotten, Stangensellerie und exotischen Gewürzen – ein Rezept zu Peter Polters Episoda 131005 Barolo La Morra

Der Brasato al Barolo gehört zu den grossen Klassikern der piemontesischen Küche. Es gibt kaum ein Traditions-Lokal, das ihn nicht anbietet. Entsprechend zahlreich sind die Rezepte, die kursieren – wobei sie sich meist nur bei den eher sekundären Zutaten voneinander unterscheiden. Uns hat ein Braten besonders gut gefallen, den wir im Restaurant «La Cantinetta» in Barolo vorgesetzt bekamen – gewissermassen als Trost nach einem eher zähen Wildschwein-Ragout, dem es auch deutlich an Charakter fehlte.

Das «Cantinetta» liegt zwar im Herzen des touristisch stark frequentierten Dörfchens, das dem berühmtesten aller Nebbiolo-Weine den Namen gegeben hat, strahlt aber eine gewisse Unkorrumpierbarkeit aus – und serviert eine sehr anständige Küche mit schönen Weinen im Offenausschank. Bei den Antipasti, die im Piemont grundsätzlich immer als eigene kleine Speisefolge aufgetischt werden, überraschte uns vor allem ein grosser Raviolo, in dessen Inneren unsere Gabel auf ein fast gänzlich rohes Ei stiess – wie zum Teufel kriegt man so etwas nur zustande?

Der Brasato al Barolo kam deutlich weniger rätselhaft daher – überraschte aber wie jedes Mal durch die deutliche Präsenz exotischer Gewürze in der grosszügig servierten Weinsauce. Exotische Gewürze kommen in der Küche des Piemont sonst nur selten vor – warum also spielen sie ausgerechnet in diesem Braten eine so zentrale Rolle? Die Gewürze, vor allem die Exoten Piment, Nelken und Zimt, aber auch Wacholder und der waldige Rosmarin, bilden eine Art Echoraum zu jenen Aromen, die man auch in einem reifen Nebbiolo-Wein wie einem Barolo finden kann. Sie sind also unserer Ansicht nach dazu da, die aromatische Grundidee des Gerichts zu verdeutlichen. Eine verständliche und gleichwohl kühne Idee, die uns sehr für dieses Gericht einnimmt.

Für den Brasato al Barolo verwendet man in der Regel ein Stück aus der Schulter des Rinds. Am besten eignet sich die Schulterspitze, da sie etwas kompakter ist und gewissermassen von Natur aus eine schöne, eher längliche und folglich gut tranchierbare Bratenform hat. Wir geben auch eine Scheibe Kalbsfuss in die Sauce, weil sie so mehr Körper bekommt und gelatinöser wird. Die Rezepte aus dem Piemont, die wir konsultiert haben, sahen allerdings keine solche Zugabe vor.

Wenn Geld keine Rolle spielt, dann kann man das Gericht mit einem beliebig edlen Barolo aus den Langhe zubereiten (zum Beispiel mit einem 1996er Montfortino Reserva von Giacomo Conterno). Am besten schmort man den Braten dann auch auf einem Holzherd, den man mit ein paar ausgewählten Guarneri-Geigen beheizt. Wer ein Herz hat für Musik und eine gewisse Empathie für seinen Geldbeutel, der wählt einen einfacheren Barolo oder besser noch einen anständigen Veltliner, der ja ebenfalls aus der Nebbiolo-Traube gekeltert wird. Man kann auch auf Burgunder ausweichen, den aromatischen Halbbruder des Barolo.

Zunächst haben wir nicht verstanden, wozu eine Marinade dienlich sein soll, wenn das Fleisch nur eben 12 Stunden darin liegt. In dieser kurzen Zeit dringt der Wein gerade mal 5 mm in den Braten ein – auf seine Konsistenz dürfte das kaum einen nennenswerten Einfluss haben. Nach den ersten Versuchen aber haben wir verstanden, dass hier nicht der Wein den Braten konditioniert, sondern umgekehrt, das Fleisch den Wein verändert, der in den 12 Stunden allerlei Stoffe aus dem Muskel, den Gewürzen und dem Gemüse aufnimmt – und also gewissermassen auf die Begegnung mit dem Fleisch im Schmortopf eingestimmt wird.

Brasato al Barolo wird grundsätzlich mit viel Sauce serviert – obwohl das Fleisch gar nicht so trocken herauskommt, wie man es bei einer fettarmen Rinderschulter befürchten könnte. In Barolo wurden dazu Kartoffelstock und Rübchen serviert. Auch für den Brasato al Barolo gilt die universale Schmorgericht-Regel, dass er wieder aufgewärmt noch einmal besser schmeckt. Wir geben hier ein Rezept für einen Braten von einem Kilo wieder. Wir haben nach demselben Verfahren aber auch schon grössere Stücke (bis 1.6 kg) zubereitet – ohne die Menge der übrigen Zutaten zu verändern.

Kochzeit 4 Stunden

Zutaten (für 4 Personen)

1 kg Schulterbraten vom Rind (am besten Schulterspitze)

1 grössere Scheibe Kalbsfuss (150-200 g)

2 Karotten (160 g), geschält, halbiert und in Stücke geschnitten

3 Stängel Stangensellerie, in Rädchen (120 g geputzt)

2 Zwiebeln (200 g)

4 Zehen Knoblauch

1 Stange Zimt (8 g), zerbrochen

4 Gewürznelken

1 TL Wacholder, im Mörser leicht angedrückt

1 TL Piment, im Mörser leicht angedrückt

2 Blätter Lorbeer

Lorbeer1 stattlicher Zweig Rosmarin (ca. 8 g)

1 Flasche Rotwein aus der Nebbiolo-Traube (Barolo, Veltliner)

1 EL Butter (20 g)

2 EL Olivenöl

2 TL Salz

2 TL schwarzer Pfeffer, frisch gemahlen

Zubereitung

  1. Rindfleisch, Kalbsfuss, Karotten, Stangensellerie, Zwiebeln, Knoblauch, Zimt, Gewürznelken, Wacholder, Piment, Lorbeer und Rosmarin in einen Gefrierbeute packen und wenigstens 12 Stunden marinieren lassen.
  2. Das Rindfleisch aus der Marinade heben und mit Küchenpapier sorgfältig trocken tupfen.
  3. Butter und Öl in einem schweren Topf erwärmen und das Fleisch auf allen Seiten bei mittlerer Temperatur anbraten (ca. 10 Minuten je Seite). Fleisch aus dem Topf heben.
  4. Mit einem Sieblöffel das Gemüse, den Kalbsfuss und die Gewürze aus der Marinade heben, kurz abtropfen lassen, in den Topf geben und etwa 10 Minuten dünsten.
  5. Das Fleisch auf das Gemüse setzen, Salz und Pfeffer beigeben und die Marinade angiessen. Aufkochen lassen, Hitze stark reduzieren, Deckel aufsetzen und 3 Stunden sanft köcheln lassen, gelegentlich wenden.
    Wie bei vielen Schmorgerichten hängt vieles vom Topf ab, den man verwendet. In einem schweren Topf mit einem Deckel, der das Kondenswasser wieder in das Gargut zurückführt, kann das Fleisch stundenlang vor sich hin köcheln – dabei bleibt die Menge der Flüssigkeit konstant oder nimmt sogar ein wenig zu. Besitzt man keinen solchen Topf, dann muss man vermutlich immer wieder Flüssigkeit angiessen.
  6. Das Fleisch aus dem Topf heben, in ein Stück Alufolie wickeln und im Ofen warm stellen.
  7. Den Kalbsfuss (auf jeden Fall die Knöchelchen) und den Rosmarinzweig aus dem Topf klauben und die Sauce durch ein Passevite (eher dünneres Sieb) drehen. Sauce in den gesäuberten Topf zurück geben und auf starker Flamme reduzieren bis sie die gewünschte, leicht dickliche Konsistenz erreicht hat.
    Wer die Sauce noch etwas homogener haben möchte, kann sie zusätzlich pürieren – zum Beispiel mit einem Stabmixer. Erstaunlicherweise macht es fast keinen Unterschied, ob man die Sauce vor oder nach dem Passevite püriert. Das Pürieren hat offenbar einen etwas anderen Effekt auf die festen Bestandteile der Sauce als das Passieren (der Mixer kann das Passevite aber nicht ersetzen).
  8. Braten aus dem Ofen nehmen, in Scheiben schneiden und mit viel Sauce servieren. Die Reste vom Kalbsfuss, sofern sie nicht durch das Passevite gedreht wurden, kann man gut mit dazu servieren.
Im Restaurant «La Cantinetta» in Barolo wird der Brasato al Barolo mit Kartoffelstock und glasierten Karotten-Stücken serviert. (Oktober 2013)
Für das Marinieren verwenden wir einen Gefrierbeutel – er hält die Flüssigkeit dicht am Fleisch und lässt sich leicht ab und zu wenden. Natürlich kann man den Braten auch in einer Schüssel ziehen lassen. (Zürich, Oktober 2013)
Dank der Butter bekommt das Fleisch beim Anbraten schnell eine schöne braune Kruste.
Je nach Topf muss man dann und wann kontrollieren, ob noch ausreichend Flüssigkeit vorhanden ist. Der Braten sollte etwa zu zwei Dritteln in der Sauce stehen.
Wärmt man ein übrig gebliebenes Bratenstück wieder auf, kann man es dabei regelmässig mit Sauce begiessen – was dazu führt, dass die Sauce stärker am Fleisch haftet und zugleich dank sich lösender Fleischfasern körperreicher wird. Vor dem Aufwärmen verdünnen wir die Sauce jeweils mit etwas Wasser – so, dass sie im Moment gerade etwas dünner erscheint als erwünscht. (Zürich, Oktober 2013)

First Publication: 10-10-2013

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