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Eine Farbe wie ein tropischer Sonnenuntergang: Meen Vevichathu. (Zürich, Juni 2013)

Meen Vevichathu

Säuerliches Kerala-Curry mit Fisch – ein Rezept zu Peter Polters Episoda 121224 Kochi Gandhi Beach

Meen Vevichathu gilt als eine Spezialität aus der Küche der Syrischen Christen von Kerala. Meen heisst «Fisch» auf Malayalam, Vevichathu bezeichnet die Zubereitungsweise – wenn wir das richtig verstanden haben. Es gibt kaum ein Fischrestaurant im Staate, das Meen Vevichathu nicht auf der Karte führt – die Zubereitungsweisen allerdings sind ziemlich unterschiedlich. Lokale für Touristen, wie zum Beispiel das «Oceanos» oder das «Sea Gull» in Fort Kochi, neigen dazu, dieses Curry mit Tomaten und/oder Kokosmilch herzustellen. Das Ergebnis ist ein mildes (manchmal auch scharfes), eher süssliches Curry von einer cremigen Konsistenz – eine feine Sache. In indischen Kochbüchern, die vor allem für den europäischen oder nordamerikanischen Markt geschrieben wurden, finden sich denn auch entsprechende Rezepte. In der schönen Kochfibel von Tanja Dusy und Roland Schenkel («Indien. Küche & Kultur») etwa wird Meen Vevichathu mit Tomaten und Kokosmilch zubereitet. Wer indes indische Küchen-Blogs oder in Indien produzierte Kochbücher konsultiert, findet bald heraus, dass Meen Vevichathu wohl zu den wenigen Gerichten der Küche Keralas gehört, die zwar mit etwas Kokosöl, aber ohne Kokosmilch zubereitet werden – und auch ohne Tomaten.

Die Rezepte, die sich auf den indischen Kochblogs finden, sind sich relativ ähnlich. Und Lathika George («The Kerala Kitchen») gibt sogar zwei Rezepte für Meen Vevichathu wieder, die sich indes nur wenig voneinander unterscheiden. Wir haben unser Rezept auf Basis des Meen Vevichathu entwickelt, das bei George den schönen Zunamen «Yesterday's Fish Curry» trägt. Sie schreibt dazu: «This classic fish curry is simmered in an earthenware pot. It tastes best the day after it is prepared, and even better the next day-hence, it is often called ‹yesterday's fish curry›. The sour, spicy fish curry will keep for a few days without refrigeration, and is one of the assortment of dishes prepared in advance for a wedding or family gathering.»

Meen Vevichathu verlangt nach einem speziellen Kochgeschirr, einem irdenen Topf, und nach drei Zutaten, die in Mitteleuropa nicht leicht (oder auch gar nicht) zu bekommen sind: Kokum, Chilis aus Kaschmir und Kokosöl. Wir haben Meen Vevichathu in einer gewöhnlichen Bratpfanne, in einem antihaftbeschichteten Wok und in einem chinesischen Tonkochtopf, einem Sand Pot (Shāguō) zubereitet – und keinen aromatischen Unterschied festgestellt. Allerdings ist unser Shāguō innen beschichtet, derweilen die Tonkochtöpfe in Kerala ohne Beschichtung benutzt werden.

Kokum (Garcinia indica) ist ein in Goa und Kerala alltägliches Säuerungsmittel, das sich indes ­– in der Schweiz zumindest – partout nicht auftreiben lässt. Wir haben es deshalb manchmal durch saure Tamarinde ersetzt – manchmal aber auch durch saure, grüne Mango (auf Empfehlung von Lathika George). Während die Tamarinde eine sehr markante, fast etwas beissende Säure abgab, hielt sich die saure Mango eher zurück – band sich aber letztlich harmonischer in das Gesamtaroma ein. Wir kochen das Rezept also nun mit grünem Mango und einem kleinen bisschen Tamarinde.

Man kann die Frage des richtigen Säuerungsmittel auch noch erheblich komplizieren – zum Beispiel wenn man liest, was Vijayan Kannampilly («The Essential Kerala Cookbook») in seinem Kapitel über «Souring Agents» schreibt: «Cambodge is specific to Malayali fish cuisine. Most writers refer to this as kokum which is used in Goa, the Konkan Coast and by the Kodavas. Kokum (punampuli in Malayalam) is Garcinia indica; cambodge (kudampuli in Malayalam) is Garcinia gummigutta. Despite the subtle difference in taste kokum can be substituted for cambodge if the latter is unavailable. If kokum too is unavailable use tamarind. You can’t go very wrong.» Geradezu begeistert von Kudampuli ist übrigens auch der «Foodhunter» Mark Brownstein, der die saure Frucht auf seiner «Kulinarischen Schatzsuche in Südindien» (ausgestrahlt auf «Arte» am 25. März 2008) entdeckt und sich von ihrem Aroma zu einer ganzen Reihe von Assoziationen anregen lässt: «Wald, wilde Blaubeeren, Brombeeren, Johannisbeeren, dunkel, fruchtig, rauchig…»

Chilis aus Kaschmir (Kashmiri mirch) sind in vielen Küchen Indiens sehr beliebt – weniger wegen ihrer Schärfe allerdings, sondern vor allem wegen der besonders lebendigen roten Farbe, die sie den Gerichten verleihen. Kashmiri mirch wird hauptsächlich in pulverisierter Form angeboten. Auch diesen Chili haben wir im Juni 2013 in der Schweiz zunächst nicht auftreiben können – obwohl zum Beispiel die Firma «MDH», deren kleine Gewürz-Kartons sich massenweise in jeden Indien-Laden finden, Kashmiri mirch im Angebot führt. Wir haben bei der Arbeit am Rezept also manchmal einfach getrocknete rote Chilis pulverisiert – manchmal aber auch ein Pulver der Firma «MDH» namens «Deggi Mirch» verwendet, das sich als «Chili Powder for Curries» anbot: «a unique, age old blend, processed from special varieties of colourful Indian red chillies». Tatsächlich wurde unser Chili mit diesem Pulver deutlich röter als mit den pulverisierten ganzen Chilis. Schliesslich haben wir dann doch auch noch eine Schachtel mit pulverisiertem Kaschmir-Chili der erwähnten Marke «MDH» gefunden und ausprobiert – es färbte ähnlich rot wie «Deggi Mirch», schien uns aber weniger scharf. Es führen also verschiedene Wege zum Ziel – unserer Ansicht nach ist es am besten, man benützt einen Chili oder ein Chilipulver, dessen Schärfe man kennt und dessen Auswirkungen man also einschätzen kann.

Kokosfett war früher auch in Europas Küchen sehr beliebt (etwa unter dem Namen Palmin). Seit jedoch alle Welt nur noch mit Olivenöl kocht, stehen Dosen mit Kokosfett nur noch in wenigen Küchen herum. Auch indisches Kokosöl lässt sich in Indien-Läden problemlos finden, wobei es irritierenderweise oft bei den kosmetischen Ölen steht. Wir haben Meen Vevichathu sowohl mit Rapsöl wie auch mit Kokosöl zubereitet. Auch wenn Kokosöl als nicht sehr gesund gilt, gab es dem Curry doch einen eigenen Geschmack: Beim Anbraten verströmt es eine leicht blumige Note, später hat es eher ein mineralisches, leicht rauchiges (Kokos)-Nussaroma.

Meen Vevichathu schmeckt sauer und scharf, etwas holzig in der Nase (Sandelholz), blumig und auf fleischige Art fruchtig parfümiert (man denkt entfernt an karamellisierte Früchte oder eine dunkle, etwas zu stark gekochte Konfitüre). Es ist auch auf eine eigene Art nussig. Die Sauce ist cremig aber nicht dick. Laut Lathika George soll das Gericht bei (tropischer) Raumtemperatur mehrere Tage lang haltbar sein und sein Geschmack sich mit jedem Tag verbessern. Wir bewahrten unser Meen Vevichathu bis zu drei Tage lang im Kühlschrank auf. Dabei veränderte der Fisch seine Konsistenz – war er anfangs noch glasig, wurde er mit der Zeit eher pulverig, trockener und fester. Das Aroma der Sauce intensivierte sich unserer Meinung nach tatsächlich, vor allem wurde es kompakter, etwas süsser, allerdings nahm auch die Schärfe zu. Wir haben das Gericht jeweils wieder aufgewärmt – es gibt aber auch Familien in Kerala, die Meen Vevichathu bei Raumtemperatur essen (so erzählte es uns jedenfalls Gunvanthi Balaram im Juni 2013).

Das vorliegende Rezept ergibt relativ viel Sauce für eher wenig Fisch – man kann also bis zu einem Kilo Fisch in der gleichen Menge Sauce garziehen lassen. Wir servieren Meen Vevichathu mit frisch gedämpften, weissem Reis. Lathika George empfiehlt dazu ausserdem zerstampften Maniok und «Vegetable Thoran» (ein für Kerala typische, relativ trockene Zubereitung aus klein geschnittenem Gemüse).

Kochzeit 30 Minuten

Zutaten (für 2 bis 4 Personen)

500 g weisses Fischfilet ohne Haut (zum Beispiel Dorsch)

2 EL Chili-Pulver (wenn möglich leuchtend rotes Kasmiri mirch, alternativ 4 getrocknete rote Chili (6 g), entkernt und ohne Stil)

2 EL Koriander-Früchte

1 TL Bockshornklee

½  TL getrocknetes und pulverisiertes Kurkuma

2 EL Kokosöl (ersatzweise Rapsöl)

3 Schalotten (90 g), in feinen Scheiben

3 Zehen Knoblauch (20 g), der Länge nach halbiert und in feine Scheiben geschnitten

5 Zehen Knoblauch (35 g) gepresst

2 EL fein gehackter Ingwer (35 g)

3 Zweiglein Curryblätter (30 Blätter)

1 grüne saure Mango (200 g) geraffelt

½ TL Tamarinden-Konzentrat, in etwas heissem Wasser aufgelöst

2 TL Salz

ev. 1 EL Kokosöl zum Beträufeln

Zubereitung

  1. Fischfilet wenn nötig von allen Gräten befreien und in vier grosse Stücke zerlegen.
  2. Chili, Koriander und Bockshornklee in einer Kaffeemühle zu einem feinen Pulver zermahlen. Das Kurkuma unterheben. Mit etwas Wasser zu einer Paste verarbeiten.
  3. Das Kokosöl in einer Bratpfanne oder einem tönernen Schmortopf erwärmen und die Schalotten darin 3-4 Minuten dünsten bis sie eine leicht braune Farbe angenommen haben.
  4. Den Knoblauch in Stücken, den pürierten Knoblauch, Ingwer und Curry-Blätter unterheben, 3-4 Minuten braten.
  5. Hitze reduzieren, Gewürzpaste beigeben und nochmals 1 bis 2 Minuten unter ständigem Rühren braten bis es würzig duftet.
  6. Mango, Tamarinde, Salz und 4 dl Wasser beigeben, aufkochen lassen, gut umrühren, Hitze reduzieren, Deckel aufsetzen und 15-20 Minuten köcheln lassen.
  7. Den Fisch hineinlegen, Deckel aufsetzen und 10 Minuten auf niedriger Hitze garen lassen.
  8. Vor dem Servieren ev. nochmals etwas Kokosöl über alles träufeln.

Wir haben auch die ‹europäische› Variante mit Tomate und Kokosmilch ausprobiert. Bis und mit Arbeitsschritt 5 bleibt sich alles gleich. Dann haben wir statt der Mango 400 g im Mixer pürierte Tomate und nur 2 dl Wasser (statt 4 dl) beigegeben. Diese Mischung haben wir 25 Minuten auf kleiner Flamme geköchelt, dann haben wir 2 dl Kokosmilch eingerührt – und weiter ging es mit Punkt 7. Das Resultat war wie erwartet lieblicher und cremiger, weniger scharf und kaum noch sauer – wir haben uns also bei Tisch verführen lassen, etwas Limettensaft darüber zu träufeln.

Das Restaurant «Oceanos» in Fort Kochi hat sich auf Gerichte aus der Küche der Syrischen Christen spezialisiert. Auf der Karte des Lokals wird Meen Vevichathu als ein Curry angekündigt, das in einer «smooth coconut cream» geköchelt wird. (Dezember 2012)
Das Meen Vevichathu im «Oceanos» schmeckt süsslich und wenig scharf, ist dafür aber sehr ölig. (Dezember 2012)
Bereitet man Meen Vevichathu mit gewöhnlichen Chilis zu, dann hat es eine eher bräunliche Farbe – am Aroma ändert das nichts. (Zürich, Juni 2013)
Auch dieser Ersatz für Chili-Pulver aus Kaschmir besorgte unserem Gericht eine leuchtend rote Farbe.
Einsatzbereit wie in der Kochsendung: die Zutaten für Meen Vevichathu.
Meen Vevichathu in einem chinesischen Tonkochtopf (Shāguō) – kurz bevor Mango, Tamarinde und Wasser zugegeben werden.
Auch die ‹europäische› Variante mit Tomate und Kokosmilch hat ihren Reiz – vor allem auch für Zeitgenossen, die nicht allzu scharf essen wollen. (Juni 2013)

First Publication: 27-6-2013

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