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Im Namen des Berges

Montevideo (Uruguay)
Escollera Sarandi (Ciudad Vieja)
Dienstag, 5. März 2013

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Die falschen Erklärungen sind oft die schöneren. Nach wochenlanger Fahrt übers offene Meer soll ein unbekannter Seemann, als vom Mastkorb aus endlich Land in Sicht kam, seinen Kameraden weiter unten im Boot «Monte video!» oder «Monte vi eu!» zugerufen haben: «Ich sah einen Berg!» Gemeint war der Hügel über dem Hafen der heutigen Hauptstadt von Uruguay, der mit seinen 132 m Höhe in der flach gewellten Landschaft am Nordufer des Río de la Plata tatsächlich ein wenig auffällt. Das «Montevideo» blieb nicht nur an dem Hügel hängen, sondern sprang in den 1720er Jahren auch auf die von den Spaniern neu gegründete Siedlung am Fuss des Monte über, die den Namen San Felipe y Santiago de Montevideo erhielt.

Der Berg, der seinen Namen daher hat, dass er gesehen wurde – das hört sich nach einem kulturellen Urvorgang an, der hier gewissermassen in einer Musterform stecken geblieben ist: Ich sehe etwas und gebe dem Ding einen Namen, damit ich es künftig von anderen Dingen unterscheiden kann. Würde man der vorliegenden Logik der Namensgebung folgen, dann müsste im Grunde jeder Berg auf diesem Planeten Montevideo heissen – denn sie alle wurden erst gesehen und dann benannt. Und doch ist die Situation hier etwas anders, wurde der Berg doch nach Wochen der Aussichtslosigkeit entdeckt – und also war es in jenem Moment sein wichtigstes Charakteristikum, dass er überhaupt etwas über der Wasseroberfläche zu sehen gab. Wer je auf offener See unterwegs war, der weiss, dass sich irgendwann dieser leise Zweifel einnistet, ob es nicht vielleicht immer so weiter gehen wird: Wasser über Wasser über Wasser, ein Ozean ohne Ende. In dieser Situation bedeutet die Ansicht eines Berges, und sei er auch nur schlappe 132 Meter hoch, so viel wie Erlösung oder vielmehr die Einlösung eines Versprechens, einer Hoffnung – ganz ähnlich wie im Fall des Gelobten Landes.

Schade nur, gehört diese Herleitung des Namens Montevideo zumindest laut der deutschen Wikipedia (konsultiert am 5. März 2013) in den Bereich der Volksetymologie. Tatsächlich soll sich der Name aus der Guaraní-Bezeichnung Yvyty («Felsen») ableiten, die in den Aufzeichnungen von Magellan mit dem Wort für Hügel oder Berg zu Montevidi zusammengeführt wurde. «Bergfelsen» also, nicht eben ein Triumph der Fantasie. Wie gesagt: Manchmal sind die falschen Erklärungen einfach schöner.

Siehe auch

  • Ein Rezept zur Episoda: Salsa Salú (Sauce aus Karotten und Zwiebeln mit Rosmarin, Chili und Grünen Oliven)
  • Episoda – eine Sendung für Santa Lemusa (Einführung)
  • Biographie von Peter Polter

First Publication: 23-5-2013

Modifications: 28-6-2013