D | E | F

Logbuch der «PS Narina»

Tag 31

Luft- / Wassertemperatur: 34°C (28°C nachts) / 26°C

Windrichtung / Bft: Nordwest / 2-3

Gebiet: PIPERIS OCEANUS (Wechselnde Strömungen) – Seekarte der Reise

Kombüse: Rotflecken-Zackenbarsch (ca. 1.3 kg) ausnehmen, filetieren und von der Haut ziehen. 1 EL fein gehackte Zwiebel, 1 EL fein gehackter Ingwer, 1 knapper EL fein gehackter Knoblauch, 1 knapper TL Shichimi, 1 EL Reisessig, 1 EL Mirin, 2 EL Sojasauce, 4 EL Wasser in einem kleinen Pfännchen aufkochen lassen, Hitze reduzieren und zehn Minuten köcheln lassen. Hitze stoppen, 1 EL helles Miso einrühren und rühren bis es sich aufgelöst hat. Sauce durch ein feinmaschiges Sieb streichen. Fischfilet ganz leicht pfeffern und salzen, in 1 EL Rapsöl je 3 Minuten pro Seite braten. Mit ein paar Tropfen der vorsichtig erwärmten Sauce servieren. (Weitere Rezepte vom Smut der «PS Narina»)

Beobachtungen

Wenn etwas gegen den Rumpf unseres Schiffes wummert, dann sind das in der Regel Holzstücke, alte Turnschuhe oder Flaschen. In diesem eigentümlichen Gewässer aber passiert es immer wieder, dass die abgehackten Füsse von Hühnern gegen unsere Bordwand schlagen – wobei das Wort «schlagen» fast zu hart klingt, eher ist es ein Geräusch, wie wenn etwas in einem Sumpf aufprallt, ein leicht despektierliches Schmatzen. Ich habe keine Erklärung für die Hühnerfüsse in diesem Gewässer. Zwar weiss ich, dass es Kulturen gibt, die Hühnerfüsse höchstens ihren Hunden verfüttern – und andere, in denen sie als Delikatesse überaus begehrt sind. Hier aber haben wir es offenbar mit einer Zivilisation zu tun, die Hühnerfüsse ins Meer wirft. Nur warum? Es kann sein, dass es in der Nähe eine Hühnerfabrik gibt, die beim Schlachten der Tiere die Füsse einfach ins Meer entsorgt – so wie auch anderer Abfall in den Ozean wandert. Oder hofft jemand, die Fische in der Gegend würden fetter, wenn man ihnen Hühnerfüsse zum Frass vorsetzt? Müssen wir uns vorstellen, wie jemand Schubkarren voller Krallen an den Strand fährt und dann ins Meer kippt? Vielleicht wurden die Hühnerfüsse aus Reusen gespült, wo sie Fische oder Krabben mit ihrem Duft anlocken sollten. Oder ist alles nur Zufall – ist irgendwo ein Boot gekentert, dass mit Hühnerfüssen an Bord in Richtung China unterwegs war? Natürlich wäre es auch denkbar, dass die Füsse im Rahmen eines Rituals ins Wasser geworfen werden – als Opfergabe für eine Gottheit. Allerdings fällt mir keine Gottheit ein, die speziell auf Hühnerfüsse steht. Doch wer kennt sich da schon aus. Vielleicht ist auch eine Art Zauber damit verbunden – gut möglich, dass man ein schlechtes Omen an einen Hühnerfuss ketten kann, und es dann mitsamt der Kralle in hohem Bogen in den Ozean katapultiert. Vielleicht bringt es Glück, Hühnerkrallen ins Wasser zu werfen – oder es ist ein Liebesbeweis: «Heirate mich! Ich habe heute hundert Hühnerfüsse für dich in den Ozean geballert!»

Man muss nicht alles wissen. Dass wir heute keinen Hühnerfuss an der Angel hatten, verdankt sich aber sicher bloss dem Umstand, dass Krallen keine Zähne haben.

Nächster Tag (32)

First Publication: 26-1-2013

Modifications: 9-4-2013, 11-11-2014