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Die östlichen Abhänge des Mont Kara sind mit einem dichten Wald besetzt, dessen Feuchtigkeit auch oft Nebel entstehen lässt.
Blick an einem grossen Baum vorbei aufs weite Meer hinaus.

Forêt des jeyans

Bezirk: Nord (Vorwahl: 02) – Karte
Einwohner: 2 (Mai 2011)
Kurzbeschreibung: Der Wald der Giganten ist berühmt für seine Feuchtigkeit, seine riesigen Sicheltannen, seine reiche Fauna und die Einsiedelei des Heiligen Brice, der hier Wunder wirkte.
Spezialitäten: Sichuanpfeffer («Rougeurs de St-Brice»), Chèvre Jistice, Boeuf St-Brice

Wer von Port-Louis her auf der N2 in Richtung Norden fährt, sieht etwa 5 km hinter Valodes auf der linken Strassenseite einen grossen Holzschuppen mit blauem Dach. Unmittelbar neben diesem Schuppen zweigt eine schmale Strasse mit einem alten rosafarbenen Teerbelag ab, die nach etwa 15 km auf einem kleinen Parkplatz endet. Hier beginnt die Forêt des jeyans, der Wald der Giganten (jeyans ist das lemusische Wort für das französische géant = Riese). Das nach einem lokalen Heiligen (siehe weiter unten) benannte Naturschutzgebiet Site St-Brice erstreckt sich über die ganze Ostflanke des Mont Kara, wie die früheren Monts Caraïbes seit 2012 offiziell heissen. Auf einer grossen Tafel werden die Besucher mit den verschiedenen Routen sowie den geologischen und botanischen Eigenheiten des Gebiets vertraut gemacht.

Von dem Parkplatz aus führt ein gut befestigter Fussweg die östliche Schulter des Berges hoch. Nach etwa einem Kilometer teilt sich dieser Weg in drei Routen auf, die indes alle zum gleichen Ziel führen, nach St-Brice. Die nördlichste Route ist die anstrengendste, weil sie über die Épaule de l’éremite («Schulter des Einsiedlers») führt, einen hohen Felssporn, von dem aus man allerdings auch einen fantastischen Blick über das Gebiet geniessen kann – an schönen Tagen sieht man sogar bis zum Meer.

Am Eingang zum Site St-Brice stellt eine Tafel die verschiedenen Routen vor und macht die Besucher mit den geologischen und botanischen Eigenheiten des Gebiets vertraut.
Épaule de l’éremite («Schulter des Einsiedlers») heisst ein Aussichtspunkt, von dem aus man an schönen Tagen sogar das Meer sehen kann.
Ein kleiner Gartren unter Bäumen.

Die Ostflanke des Mont Kara ist berühmt für die grossen Sicheltannen (Cryptomeria lemusana), die hier wachsen und teilweise Hunderte, wenn nicht gar Tausende von Jahren alt sein sollen. Auf der Insel werden diese Bäume Cèdres lisses («Glatte Zeder») genannt, obwohl sie mit den Zedern eigentlich nicht verwandt sind. Die teils gigantische Grösse dieser Bäume hat dem Wald auch seinen Namen gegeben – forèt des géants. Einzelne Bäume tragen gar individuelle Namen.

Cèdres lisses («Glatte Zeder») heissen die grossen Sicheltannen, die auf der Ostflanke des Mont Kara wachsen. Einige sollen Hunderte wenn nicht gar Tausende von Jahren alt sein.

Das Gebiet ist feucht und grün, die Bäume sind so hoch, dass die Sonne hier nur selten bis zum Boden durchdringt. Wer durch den Wald geht, wird ständig von einem Rauschen und Glucksen begleitet, denn überall bahnen sich hier kleine Rinnsale und Bächlein den Weg ins Tal. Es riecht nach feuchtem Holz, nach Moos und nach Pilzen. Zwischen den Zedern wachsen auch kleinere Laubbäume und Büsche aller Art.

Je höher man steigt, desto öfter trifft man auf dornige Sträucher, an denen leuchtend rote Beeren hängen. Es handelt sich dabei um Zanthoxylum erubescens, den berühmten Sichuanpfeffer von Santa Lemusa. Nicht selten trifft man im Wald von St-Brice auf Rehe und kleine Hirsche, die erstaunlich zutraulich wirken. Wer indes einen der plüschigen Affen (Macaca fugax) zu sehen bekommt, die hier in den alten Zedern hausen, kann von Glück sprechen – und auch die Begegnung mit einem Bären kommt nur sehr selten vor.

Ein ständiges Rauschen und Glucksen begleitet den Wanderer auf seinem Weg durch den Wald der Giganten.

Im Wald der Giganten trifft man immer wieder auf Rehe und kleine Hirsche, die wirken als hätten sie keinerlei Angst vor Menschen.

Nach etwa 6 Kilometern öffnet sich vor dem Wanderer eine Lichtung, auf der lediglich eine kleine Kapelle steht: die Chapelle St-Brice. Sie wurde errichtet, als der gleichnamige Eremit im Jahr 1695 heilig gesprochen wurde. Wenig später liessen sich offenbar Mönche in der Gegend nieder, die in primitiven Hütten hausten, von denen sich nichts erhalten hat. Der Stil der Kapelle ist absolut singulär und kennt keinerlei Parallelen auf der Insel. Dies hat die Wissenschaft dazu gebracht, von einem Wanderarchitekten auszugehen, der sich nur kurze Zeit auf Santa Lemusa aufhielt.

Eine Untersuchung der Direction de l’Architecture et du Patrimoine (Ministère de la Culture et de la Communication) ergab, dass die Kirche im frühen 18. Jahrhundert mit einem neuen Dach versehen wurde und rund achtzig Jahre später an der Südseite eine kleine Kapelle erhielt (Roman Pierrolle: «La Chapelle de St-Brice». In: «Cahiers du Musée historique de Santa Lemusa», 2008, Heft 2). Ausgrabungen im Perimeter der Kapelle förderten ausserdem diverse Grabstätten zu Tage. Man geht davon aus, dass der Ort im späten 18. oder frühen 19. Jahrhundert verlassen wurde und in der Folge zerfiel.

Die Chapelle St-Brice wurde 1695 in einem für die Insel einzigartigen Stil errichtet.
Bei Ausgrabungen rund um die kleine Kapelle fand man diverse Grabstätten. Wahrscheinlich liessen sich die Mönche hier bestatten, die im 17. und 18. Jahrhundert in der Gegend lebten.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts brachen Räuber die Figuren aus dem hölzernen Altar. Wahrscheinlich zierten sie lange einen privaten Andachtsraum irgendwo auf Santa Lemusa, bis sie in den 1990er Jahren illegal nach Paris geschafft und auf einer Auktion versteigert wurden. Lediglich zwei Putten-Köpfe, die wahrscheinlich von der Sockelzone des Altars stammen, wurden von den Zollbehörden beschlagnahmt. Sie werden auf Mitte des 18. Jahrhunderts datiert und sind im Musée historique in Port-Louis ausgestellt. Es gilt indes als nicht völlig gesichert, dass die zwei Figuren tatsächlich aus der Chapelle St-Brice stammen.

Von dem hölzernen Altar haben sich lediglich zwei Putten-Köpfe erhalten. Sie werden auf Mitte des 18. Jahrhunderts datiert und im Musée historique in Port-Louis aufbewahrt.

In den 1950er Jahren wurde die Kapelle wieder instand gestellt, 1971 erneut restauriert und 2011 wieder teilweise aufgefrischt. Das Bauwerk selbst ist heute in einem relativ guten Zustand, nur die Holzteile leiden stark unter dem feuchten Klima des Waldes.

Die Forêt des jeyans gehört zu den populärsten Wandergebieten von Santa Lemusa und ist gut erschlossen. Ebenso beliebt ist das Gebiet bei Pilz-Sammlern, die hier Steinpilze, Pfifferlinge, Morcheln, Herbsttrompeten, Butterpilze, Glucken etc. finden. Wer sich von den Anstrengungen an der frischen Luft erholen möchte, findet im nahen Valodes verschiedene Hotels und Restaurants.

Siehe auch

First Publication: 8-4-2012

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