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Tokio, Shinjuku Gyoen National Garden

Szene 6

Hektor Maille landete in einem Park in Zentrum von Tokio. Um ihn herum ein Ozean aus weissen, rosigen, flamingoroten und damenstrumpffarbigen Blüten – dazwischen Männer und Frauen mit geweiteten Augen: «Sakura! Sakura!» Über allem lag der Duft eines frisch schamponierten Teppichs, wie er für Mohnsamen typisch ist.

Kirschblüten sind für Japaner keine Freude, sie sind eine Pflicht, ein absoluter Befehl der Natur, augenblicklich in Verzückung zu geraten und frühlingshafte Emotionen zu produzieren. Wie schmerzlich es allerdings sein kann, Glücksgefühle aus sich herauszuquetschen, wenn Körper und Seele noch ganz steif sind von den Zumutungen des Winters, hat kurz vor 900 schon Ariwara no Narihira beschrieben, der sagenumwoben schöne Enkel von Kaiser Heizei:

Yo no naka ni
taete sakura no
nakariseba
haru no kosoro wa
nodokekaramashi

Gäbe es
keine Kirschblüten
in dieser Welt
wie heiter und gelassen
könnte das Herz im Frühling sein

Gedicht und Übersetzung aus: «Gäbe es keine Kirschblüten…». Stuttgart: Reclam Verlag, 2009. S. 37. Hören Sie wie das Gedicht auf Japanisch klingt.

Schade, hat die Literaturgeschichte seine Worte nicht etwas ernster genommen.

Japaner sind tapfer und also strömen sie zur Kirschblütenzeit mit hochprozentiger Picknick-Ausrüstung in die Parks, um sich dort in Scharen unter einem rosigen Himmel zu betrinken und zu vergessen, wie kalt der Boden noch ist – die Abfallberge, die bei Hanami, dem «Blüten betrachten» entstehen, stellen für die Tokioter Stadtverwaltung Jahr für Jahr ein kleine, logistische Sonderaufgabe dar.

Nach wenigen Schritten in dem Park drängte sich dem Blick des Geheimagenten der Ast eines Kirschbaums auf, an dem zwei Omikuji befestigt waren – zwei jener Orakel-Zettelchen, wie sie gewöhnlich nur in der Nähe von Shintō-Schreinen und buddhistischen Tempeln an den Bäumen hängen. Hektor Maille wusste sofort, dass dies eine Botschaft von Aral sein musste – auch weil Orakelsprüche ja gewissermassen eine futurologische Währung darstellen, Geldscheinen also nicht unähnlich sind. Während das erste Zettelchen nur einen halben Segen (Han-kichi) enthielt, hatte Aral für das zweite ein Haiku verfasst, mit dem er allerdings mutmasslich nicht in die Geschichte der «Lustigen Verse» eingehen würde:

Im Frühlingsmorgen such
wo endet Tuna's Glück
acht auf die Zehen

Maille wusste sofort, was gemeint war: Tsukiji, Tokios grosser Markt im Süden des eleganten Stadtteils Ginza. Auf diesem grössten Fischmarkt der Welt, wo Thunfisch in endlosen Massen angeliefert und verarbeitet wird, rasen Gabelstapler und kleine Laster so schnell durch die engen Gassen, dass man ständig auf der Hut sein muss, damit einem kein kleiner Toyota oder Suzuki über die Füsse donnert.

Teka Maki Memory

Bevor Sie mit Episode 10 weiterfahren, helfen Sie Hektor Maille dabei, die Nachricht von V-Man Aral zu finden, tauchen Sie tief ein in die Fischdüfte des Tsukiji-Marktes, spielen Sie das Tekka Maki Memory