Am Freitag-Abend herrscht vor dem Kotel, der Klagemauer im Herzen von Jerusalem ein ziemlicher Andrang – und eine Stimmung, die auch Hektor Maille nicht gleichgültig liess.
Klösschen aus Karpfen
Es gibt wohl nur wenige Speisen, die in vergleichbarerer Weise als «typisch jüdisch» angesehen werden wie der «Gefilte Fisch». Die Herkunft des Gerichts ist unbekannt und es gibt Rezepte und Variationen zu Hauf. Sie unterscheiden sich vor allem in zwei wesentlichen Punkten. Während eine Rezepte-Linie den Fisch mit viel Zucker sehr süss zubereitet, verwenden andere Köche vor allem Pfeffer und Salz. Rezepte aus westeuropäischen Küchen füllen die Farce in eine Fischhaut oder in den Bauch eines ganzen Fisches ein – so wie das der Name vorzugeben scheint. Der osteuropäischen Tradition hingegen gilt offenbar schon die Farce allein als «Gefilte Fisch». Heute bereiten die meisten Köche auch in Israel den «Gefilten Fisch» in der Form rundlicher Klösschen zu.
«Gefilte Fisch» ist eine klassische Sabbat-Vorspeise – gilt doch auch das Trennen von Fleisch und Gräten, wie beim Verzehr eines ganzen Fisches unumgänglich, bereits als eine Tätigkeit, wie sie von gläubigen Juden am Sabbat nicht ausgeführt werden darf (vergleichbar dem Trennen von Spreu und Weizen).
Unser Rezept indes erhebt keinen Anspruch auf Sabbat-Tauglichkeit, haben wir es doch aus der Küche des «Herzog's» in Port-Louis bekommen – einem Lokal, über das Izak Boukman einst schrieb, es sei wohl «trotz der Menora neben dem Eingang zur Küche nicht ganz koscher».
Die meisten Rezepte empfehlen, die Klösschen in einem Sud mit Fischköpfen, Gräten und Gemüse zu garen – zwei Stunden lang. Kocht man Fische allerdings länger als 20 bis 30 Minuten aus, so wird die Brühe leimig und bekommt einen schlechten Geschmack. Wir stellen deshalb zuerst eine leichte Fischbrühe her, in der wir die Klösschen dann sieden lassen.
Das hier vorgestellte Rezept verwandelt einen Karpfen von etwa 1½ Kilogramm in Klösschen und Brühe respektive Gelee. Da man sich das Tier in der Regel vom Fischhändler filettieren lässt, haben wir das Rezept entsprechend geschrieben. Sollte das zerlegte Tier weniger als 800 g Filet ergeben, kann man durch Fleisch von weiteren Karpfen oder von einem anderen hellfleischigen Fischen ergänzen.
Im «Herzog's» werden die Klösschen immer mit Chrain, einer scharfen Meerrettich-Randen-Sauce serviert.
Die Klösschen schmecken besser wenn man sie eine Stunde vor dem Servieren aus dem Eisschrank holt und annähernd Zimmertemperatur erreichen lässt. Das Gelee hingegen muss bis zuletzt gekühlt werden – sonst wird es wieder flüssig.
Man kann «Gefilte Fisch» auch mit anderen Fischen zubereiten, einfach in Salzwasser oder Gemüsebrühe kochen, statt der Matzen altes Brot verwenden, stärker oder weniger stark würzen, mehr oder weniger Zucker beigeben… Karpfen ist in gewissen Gegenden nicht sehr beliebt und also nur schwer zu bekommen. Wir haben die Klösschen deshalb auch schon mit Seehecht zubereitet und in einer leichten Gemüsebouillon mit etwas Zucker, Piment- und Pfefferkörnern gekocht. Zum Schluss dann haben wir die Brühe noch ein wenig reduziert und mit etwas Agar-Agar gelatiniert. Das Gelee war entschieden weniger lecker als im Originalrezept – die Klösschen aber waren kaum zu unterscheiden. Die Variante machte natürlich deutlich weniger Arbeit (allerdings war auch der Handwerker-Stolz nicht ganz so gross). Wir haben auch einige Klösschen eingefroren, in etwas siedender Fischbrühe quasi schockartig aufgetaut und lauwarm serviert, was uns sehr gut gefiel.
Mehr über die Reiseabenteuer des Geheimagenten Hektor Maille:
Als Hektor Maille nach misslungener Verwandlung hungrig durch die Strassen von Jerusalem zog, hatte er den Kopf voller Fische – doch nur ein paar Kichererbsen auf dem Teller. Wir haben deshalb das Restaurant «Herzog's» in Port-Louis gebeten, uns ein kleines Fisch-Menu zusammenzustellen:
Und ausserdem noch:
First Publication: 24-12-2010
Modifications: 20-6-2011, 16-11-2011, 19-12-2011