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Das Restaurant «Chabert et Fils» an der 11 Rue Marronniers bei der Place Bellecour in Lyon ist ein typischer Bouchon mit Tradition.

Gras-double à la lyonnaise

Mit Zwiebeln gebratener Rinderpansen – ein Rezept zu Peter Polter’s Episoda 110914 Lyon Vaulx-en-Velin

Es gibt kaum ein anderes Gericht, bei dessen Nennung dem Unvorbereiteten das Herz mit vergleichbarer Fallgeschwindigkeit in die Hose saust. Da streift man am Mittagstisch fein säuberlich die ölige Sauce von den Salatblättern, schwingt sich am Feierabend aufs Fitnessfahrrad, verzichtet nach dem Dinner auf den Mohnkuchen, und dann soll man sich so etwas antun: «Doppeltes Fett auf Lyoner Art»? Hinter dem linienfeindlichen Namen allerdings verbirgt sich eine der leichteren Speisen, die das Küchenrepertoire der zweiten Stadt Frankreichs zu bieten hat. Denn Gras-double bezeichnet kein Fett, sondern einen besonders dickwandigen Teil des Rinderpansens. Die Benennung dürfte aus einer Zeit stammen als Fett noch einen weniger schlechten Ruf hatte als heute. Das Gericht lässt sich indes nicht nur mit den dicksten Teilen, sondern mit jeder Art von Rinderkuttel zubereiten.

Rezept-Varianten

Die Rezeptbücher sind sich weitgehend einig, wie dieser Klassiker zubereitet wird – nicht aber die Restaurateure. Selbst in Lyon wurde uns Gras-double à la lyonnaise auch schon mit Käse überbacken oder gratiniert in weisser Sauce aufgetischt. Die meisten Rezepte indes schreiben eine deutlich einfachere, geradezu simple Zubereitung vor. Einige braten die Zwiebeln und die Kutteln separat an – und mischen sie erst zum Schluss. Andere packen alles in eine Pfanne. Manche Rezepte verwenden Sonnenblumenöl oder Butter, andere Gänsefett oder Bratbutter. Mal wird mehr Essig empfohlen, mal etwas weniger, manchmal kommen auch besondere Essigsorten wie Jerez-Essig, oder weisser Balsamico zum Einsatz – auf jeden Fall kommt die Säure erst ganz zum Schluss an das Gericht. Einig sind sich die meisten Quellen auch darin, dass die Kutteln und Zwiebeln so angebraten werden sollen, dass sie ein wenig kross werden. Auf dem Bild, das uns zum Beispiel François Mailhes («Cuisine de Lyon», S. 55) vorführt, sehen die Kuttelstreifen sogar richtig knusprig aus. Und ja, so würde uns das auch gefallen.

Böse Überraschung

Wer sich daran macht, seine Kutteln auf der Spur der verschiedenen Rezepte zu bereiten, erlebt indes eine böse Überraschung. Vorgegart wie sie sind und aus hygienischen Gründen auch zu sein haben, enthalten die Kutteln viel Wasser, was dazu führt, dass sie in den Pfanne anhaften – und dies so heftig, dass man sie mit dem Spatel nicht lösen und das Gericht nur noch durch Zugabe von viel Flüssigkeit retten kann. Kross oder knusprig werden die Kutteln so natürlich nicht. Wir haben es mit glühend heissen Stahlpfannen oder antihaftbeschichteten Töpfen probiert, mit niedriger Temperatur und mit speziell sorgfältig getrockneten Kutteln – das Ergebnis blieb sich gleich, die Kutteln hafteten in unschöner Weise an. In der Stahlpfanne haften auch jedes andere Stück Fleisch zunächst an, löst sich jedoch nach wenigen Minuten wieder vom Boden – nicht so die Kutteln, jedenfalls nicht so lange man noch von Kutteln sprechen kann. In einem Fall, da wir auf die magische Kraft der Antihaftbeschichtung einer Pfanne vertrauten, frassen sich die Kutteln sosehr in den Boden des Topfes ein, dass wir ihn entsorgen mussten.Wir kamen zur Einsicht, dass man Kutteln nach diesen Rezepten nicht in der gewünschten Art braten kann. Wir entwickelten die Hypothese, dass ursprüngliche Rezepte für Gras double à la lyonnaise (und wahrscheinlich auch die meisten Restaurants, die diesbezüglich ja skrupellos sind), die Kutteln in einer deutlich grösseren Menge Fett, wahrscheinlich fast schwimmend braten. Und wir haben die Rezepteschreiber im Verdacht, dass sie die alten Rezepte durch Reduktion des Fettanteils ‹modernisierten› – ohne die Effekte einer solchen Reduktion zu überprüfen.

Glückliche Lösung

Unser Ehrgeiz war geweckt. Wie konnte man diesen Kutteln, die ja (mit läppischen 4% Fett) im Grunde fast eine Diätspeise sind, knusprig hinbekommen – ohne dafür massenweise Bratfett zu verwenden. Wir fanden schliesslich eine Lösung, wie das Rezept auf diesen Seiten zeigt. Wobei der Trick darin besteht, dass wir die Kutteln gewissermassen im Ofen austrocknen und schliesslich knusprig werden lassen – bevor wir sie mit den Zwiebeln zusammenbringen. Wie viel das Resultat mit einem wie auch immer gearteten, ursprünglichen Gras doube à la lyonnaise zu tun hat, sei dahingestellt. Wir sind ziemlich glücklich mit diesen Gericht, das die uns so lieben Kutteln in ungewohnter Weise, nämlich knusprig auf den Teller führt. Und wenn uns jemand zeigen will, wie es richtig geht, dann schreiben wir hier sehr gerne weiter.

Zum Gras double à la lyonnaise passen am besten Dampfkartoffeln, Weissbrot oder unserer Meinung nach auch Pellkartoffeln.

Zutaten (für 2 Personen)

500 g vorgekochte Rinderkutteln, nach Möglichkeit am Stück

2 EL Öl oder Fett (zum Beispiel Rapsöl)

Zwiebeln, halbiert und der Länge nach in feine Streifen geschnitten 

Salz

Pfeffer

1 bis 2 EL Rotweinessig

4 EL Petersilie, fein gehackt

Zubereitung

  1. Die Kutteln in feine Streifen von etwa 5 bis 10 mm Breite und 5 bis 10 cm Länge schneiden (in der Schweiz werden sie meist bereits in dieser Form verkauft).
  2. Kutteln mit etwas Küchenpapier sorgfältig trocken tupfen und locker auf einem mit Backtrennpapier ausgelegten Blech verteilen. Leicht salzen und pfeffern.
  3. Ofen auf maximale Temperatur bringen (250º oder auch etwa mehr). Blech in die Mitte Ofens schieben und die Kutteln je nach Dicke etwa 15 Minuten backen bis sie leicht bräunlich und knusprig sind.
  4. Das Öl in einer Bratpfanne nicht zu stark erwärmen. Die Zwiebeln mit einer Prise Salz ca. 10 Minuten dünsten bis sie weich sind und eine goldbraune Farbe angenommen haben.
  5. Die Kutteln zu den Zwiebeln geben, Essig zugiessen und alles zügig vermischen. Petersilie darüber streuen und sofort heiss servieren.

Anmerkung zu den «Blech-Kutteln»

Die optimale Garzeit der Kutteln unterscheidet sich von Ofen zu Ofen. Wir haben auch verschiedene Methoden ausprobiert, die Kutteln zu backen. Nach zwei Stunden bei 90º waren sie kaum knusprig und immer noch etwas zu feucht. Nach 90 Minuten bei 120º waren sie leicht knusprig und ebenfalls immer noch feucht. Nach 60 Minuten bei 170º waren sie sehr knusprig bis hart und wirkten etwas ausgetrocknet (vielleicht waren diese Kutteln aber auch etwas dünner als die anderen). Nach 45 Minuten bei 180º waren die Kutteln hart, knusprig und etwas kaugummiartig. Die besten Resultate haben wir mit einer möglichst grossen Hitze erzielt. Ja das Resultat gefällt uns so gut, dass wir nun manchmal auch ein paar «Blech-Kutteln», wie wir sie nennen, zum Aperitif knabbern – direkt aus dem Ofen, mit etwas Salz und weissem Pfeffer bestreut, gelegentlich mit einem Olivenöl-Salz-Dipp.

Das Grad double à la lyonnaise, wie es bei «Chabert» in Lyon serviert wird gleicht eher einem Auflauf mit weisser Sauce.
Für unser Gras double werden die Kutteln zunächst auf einem Blech im Ofen gebacken und dabei leicht angetrocknet.
Erst dann werden die Kutteln mit den gedünsteten Zwiebeln vermischt.
Und schliesslich auf einem Teller angerichtet.

Siehe auch

First Publication: 28-9-2011

Modifications: 22-2-2012